„Anthropo-Theologie“
im Dienst der Wahrheit.
Ein Überblick über das Schrifttum Jörg Spletts
1. Erste Zugänge: Ein Gespräch,
die Antritts- und die Abschiedsvorlesung
2. Voraussetzungen:
Wissenschaftliche Qualifikationsarbeiten
3. Grundlegungen: Hauptwerke und
programmatische Schriften
5. Konkretionen: Beiträge zur
angewandten Ethik und Rezensionen
Antwort
zu geben und sich Anfragen zu stellen, nicht hingegen ein eigenes Werk zu schaffen
und in systematischer Weise auszuarbeiten – dies war und ist der Grundimpuls,
der das philosophische Schaffen Jörg Spletts bestimmt und seinen Schriften ihre
besondere Gestalt verliehen hat.[1]
Vom
Bewusstsein geleitet, „gern und mit Freude zu schreiben“[2], ist gleichwohl seit dem ersten
gedruckten Beitrag vor mehr als einem halben Jahrhundert (der Betrachtung eines
barocken Kruzifixes[3]) ein immenses philosophisches
Oeuvre gewachsen: 30 Bücher, 781 Artikel, Aufsätze und Beiträge sowie 500
Rezensionen verzeichnete die beständig erweiterte Bibliographie am Ende des
Jahres 2012.[4] Angesichts der Vielfalt der
Publikationen und der Fülle der in ihnen enthaltenen Gedanken und Anregungen liegt
es nahe, nach Schwerpunktsetzungen und Akzentuierungen, nach Unterscheidungen
und Gewichtungen zu fragen, die das Schrifttum Jörg Spletts inhaltlich
strukturieren und zugänglich machen: Wo liegen die Grundmotive seines Denkens,
von welchen Voraussetzungen aus werden sie entwickelt, in welchen Schriften sind
sie grundlegend formuliert und entfaltet, wo lassen sie sich besonders gut erkennen?
Der
folgende Beitrag möchte eine erste Übersicht über das Schrifttum Jörg Spletts bieten,
es in seinen thematischen Schwerpunkten vorstellen und ordnen,
Entwicklungslinien und Verbindungen kenntlich machen und Lesehinweise geben.
1. Erste Zugänge:
Ein Gespräch, die Antritts- und die Abschiedsvorlesung
1. Es mag dem „Antwortcharakter“ des Denkens Jörg Spletts in besonderer Weise
entsprechen, wenn dabei als ein erster Zugang zu Leben und Werk ein Gespräch aus dem Jahr 2007 genannt wird:
Unter dem Titel „‚Es ist bei Ihm aufgehoben‘. Der Philosoph Jörg Splett – Ein dialogisches Porträt“
gibt Splett darin ausführlich Auskunft über die persönlichen Erfahrungen und
Entwicklungen, die für sein Denken von Bedeutung waren und in sein Lehren und
Schreiben eingegangen sind. Vor biographischem Hintergrund lässt das Gespräch
nicht nur einleitend und für ein erstes Verständnis die Grundmotive seines Denkens
anklingen, es macht zugleich die persönliche Note seiner Philosophie sichtbar:
„In der Tat muss ich gedanklich klar haben, was ich lebe.“ – „Deswegen auch die
Entscheidung für die Philosophie: wegen ihrer
Radikalität.“[5]
Von programmatischer Bedeutung für
sein Schaffen sind sodann die Antritts- und die Abschiedsvorlesung, die den
äußeren Rahmen seiner Tätigkeit als Professor für Anthropologie und
Religionsphilosophie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen
SJ in Frankfurt/M. markieren.
2.
Die Antrittsvorlesung von 1971
formuliert als Selbstvorstellung zu Beginn der Lehrtätigkeit das Programm
„Anthropo-Theologie“, das zum inhaltlichen Leitmotiv der Wortmeldungen Spletts
geworden ist:
„[P]hilosophisches
Reden vom Menschen spricht tatsächlich immer – und soll dies in wissender
Bejahung tun – von Gott.“[6]
Die
Vorlesung selbst ist in erster Linie eine formale,
wissenschaftstheoretische Erörterung zum „Verhältnis zweier Disziplinen“ (wie
es im Untertitel heißt) – philosophischer Anthropologie und philosophischer
Theologie –, die miteinander verbunden werden: (a) Das Reden von Gott wird als Reden vom Menschen (d. h. als anthropologische Theologie) ausgewiesen,
weil „der konkrete Mensch“ nicht nur Subjekt solchen Sprechens ist, sondern
auch „Erscheinung“ Gottes: „Damit wird die Wahrheit Fleisch und Blut [...].
Fleisch und Blut aber ist der Mensch nicht als Einzelner, sondern als Ich und
Du“ (161). – (b) Und das Reden vom Menschen geschieht zugleich als Reden
von Gott (d. h. als theologische
Anthropologie), weil zum Menschen wesentlich der Gottesbezug gehört –
jedoch keineswegs nur so, dass das Reden von Gott um des Menschen willen
geschieht: „Von Gott spricht es letztlich nur dann, wenn es um Gottes willen
von ihm spricht“ (167).
Neben den disziplinären
Überlegungen, die den grundlegenden Anspruch dieser Philosophie auf Wissenschaftlichkeit und Anschluss an
das wissenschaftliche Gespräch erkennbar machen[7], lässt der Text verschiedene
Grundmotive anklingen, die in anderen Werken weiter entfaltet werden: das Dialogische, die Perspektivität unser selbst und unseres Redens, die Themen Leid, Würde, Freiheit, Geheimnis und Dank.
3. Auch die Abschiedsvorlesung
von 2005 hat in erster Linie einen formal-hermeneutischen
Charakter. Noch mehr als die Antrittsvorlesung markiert sie gewissermaßen
den „Notenschlüssel“, der die Tonart des ganzen Schrifttums angibt: Nicht
zuletzt bedingt durch „die heutige Situation“ und das „Befremden“, das der
Anspruch auf allgemeine Verbindlichkeit der eigenen Aussagen auslöst, stellt Splett
sein Schaffen hier unter das Vorzeichen des „Dienstes
an der Wahrheit“.[8]
Vom Begriff der Wahrheit aus –
verstanden als „das Da-sein von etwas oder jemandem“ (322, vgl. Abschnitt I.
Wahrheit) – werden als Grundsignaturen seiner Philosophie erschlossen:
(a)
ihr dialogischer Charakter: denn Wahrheit
ist „die Wirklichkeit als Begegnung: Realität als Bezug. Begegnung aber ist ein
anthropologisch-personaler Begriff. So situiert sich unsere Reflexion im
interpersonalen Feld“ (324, vgl. Abschnitt II. Dialogik); ferner
(b)
ihre theozentrische Ausrichtung: denn bereits „das Da-(Sein) der Personen
füreinander“ weist über sich selbst hinaus auf ihren göttlichen Ursprung hin,
so dass statt von „Ich“ und „Du“ von „Wir“ zu sprechen ist (vgl. 329). – Weil „der
personale Gott“ dem Menschen überdies vor allem in der „Gewissenserfahrung
unbedingten Anspruchs“ aufscheint, gilt es, „der Wahrheit die Ehre zu
geben“ (330). So ergibt sich
(c)
der moralisch-praktische Primat im
Denken Spletts gleichermaßen aus dem „Schrecken des [sittlichen] Anspruchs“ und
dem „Glück des Angerufen- und Angeblicktseins“. An seinem Ende steht die
„Selbst-Übereignung“ des Menschen, die in der Haltung der Anbetung „sich am Gott-Sein Gottes erfreut“ [9] (333, vgl. Abschnitt III. Gott).
Von
Bedeutung ist in diesem Zusammenhang schließlich die Hervorhebung des Zeugnisses als eines besonderen Modus
der Rede: das Zeugnis vor allem ist „Ort der Wahrheit“ (326). Für Splett ergibt
es sich aus Amt und Aufgabe des „Professors“ – kommt doch das Wort „von
‚profiteri = sich öffentlich bekennen‘“ (322).
Antritts- und Abschiedsvorlesung umreißen
somit den konzeptionellen Horizont, in dem sich das Oeuvre entfaltet. Unter dem
Leitmotiv der „Anthropo-Theologie im
Dienst der Wahrheit“ lassen sich die Schriften von daher um die beiden Pole
Mensch und Gott wie um die zwei Brennpunkte einer Ellipse ordnen. Als solche bieten
sie erste Orientierungspunkte, anhand derer die inhaltliche Explikation seines Programms
verfolgt werden kann.[10]
Unter
dem Vorzeichen des „Antwortcharakters“ der Philosophie Spletts verdienen dabei
die pragmatischen Kontexte, in denen die
einzelnen Schriften entstanden sind, besondere Beachtung. Neben seiner
Tätigkeit als Lehrer für die Fächer Philosophische Anthropologie und
Philosophische Gotteslehre an den Jesuitenhochschulen in Frankfurt/M. und
München sind dies die jahrzehntelange Vortragstätigkeit in der Priester- und Erwachsenenbildung
sowie die Mitgliedschaft in den Redaktionen der Zeitschriften Il Nuovo Areopago (1982-2002) und Theologie und Philosophie (1980-2009)
sowie im Beirat der Zeitschrift für
medizinische Ethik (zuvor Arzt und
Christ, seit 1989).
Mit
diesem Engagement ist zugleich eine Erweiterung des Adressatenkreises über die
„innerwissenschaftliche Arbeit“ hinaus auf ein breiteres Publikum hin gegeben.[11] Auch deswegen tragen die
„Antworten“ Spletts in besonderer Weise die Signatur der Fragestellungen
bestimmter Zeiten und sind immer auch Reflex gesellschaftlicher und kirchlicher
Debatten der vergangenen Jahrzehnte. Zum größten Teil haben sie ursprünglich
die Form von Beiträgen, Aufsätzen und Artikeln, die nachträglich in
Sammelbänden zusammengefasst und synthetisiert worden sind. Dabei hat Splett sich
stets bemüht, das Zufällige ihrer Entstehung zurück zu binden an sein
Grundanliegen und von dort her zu systematisieren, zu ordnen und um eine zentrale
These zu gruppieren.[12] Ist damit zwar die Unvermeidlichkeit von Wiederholungen und thematischen Überschneidungen
gegeben, so stehen diese doch unter der Hoffnung,
„dass
sich die Themen vertiefen: dass im Kreisen um den Gegenstand derselbe Ort
sozusagen eine Spiralwindung tiefer – oder höher erreicht worden sei, mit
zugleich gewachsener Klarheit“.[13]
Ihrer Gattung nach lassen sich im Schrifttum Spletts
unterscheiden:
(a)
die wissenschaftlichen
Qualifikationsarbeiten (Promotion und Habilitation), welche die Voraussetzungen
des Projekts „Anthropo-Theologie“ schaffen,
(b)
die programmatischen Schriften –
Monographien bzw. Lehrbücher und Hauptwerke – in denen die Grundlegungen seines
philosophischen Ansatzes enthalten sind,
(c)
die Sammelbände mit dessen gedanklichen
Entfaltungen sowie
(d)
die mit der o. g. redaktionellen Arbeit verbundenen Konkretionen in Stellungnahmen zur angewandten Ethik und
in Rezensionen und
(e) schließlich die Betrachtungen, in denen der Charakter
des Wahrheitszeugnisses besonders stark hervortritt.
Anhand dieser Kriteriologie sei im Folgenden die
Entfaltung der Philosophie Jörg Spletts von ihren Ursprüngen her durch seine verschiedenen
Schriften hindurch verfolgt – wobei systematische und werkchronologische
Gesichtspunkte einander ergänzen.[14]
2. Voraussetzungen:
Wissenschaftliche Qualifikationsarbeiten
1. Von den beiden Polen des
Projekts „Anthropo-Theologie“ gilt die erste Aufmerksamkeit der Rede von Gott. Die Dissertation über Die Trinitätslehre bei G.W.F. Hegel von
1964 (Freiburg/Br. – München 1965, 3. Aufl. 1984, 1993 ins Italienische
übersetzt) benennt gleich zu Beginn die Dreifaltigkeit
als „Kern- und Lebensthema“[15] Spletts – und zwar als Thema der
(Religions-) Philosophie. Zugleich markiert sie eine grundlegende Option für
die Tradition der Philosophie des Deutschen
Idealismus (Kant, Fichte, Hegel). Auch wenn der Versuch Hegels, – in
Verbindung von „höchste[m] Titanismus und höchste[r] Demut“ (K. Barth) – den
Mittelpunkt des christlichen Dogmas spekulativ zu denken, im Ganzen eine
kritische Beurteilung erfährt, werden im „Gespräch mit Hegel“ (138-154)
zentrale Motive des Grundanliegens Spletts erkennbar, das zentrale Geheimnis
des christlichen Glaubens für die Lehre
vom Menschen fruchtbar zu machen: in der Akzentuierung der Bedeutung der
„(heils-) ökonomischen“ Trinität gegenüber der „immanenten“, im Beharren auf
der Dreipersönlichkeit Gottes gegenüber dem Hegelschen Konzept einer
Zweieinigkeit, in der Verwahrung des Primats der Liebe gegenüber ihrer Aufhebung in Erkenntnis, in der Herausstellung
der Dimensionen von Wahrheit und Geheimnis gegen rationalistische
Verkürzungen. – Darüber hinaus bleibt Hegel in seiner „unglaubliche[n] Materialfülle
auf allen Gebieten und [der] übermenschliche[n] Kraft, diese verstehend zu
durchdringen und systematisch zu organisieren“[16], für Splett Gesprächspartner,
der wiederholt die Leitmotive für die Ordnung von Sammelbänden oder deren Motti
gibt.[17]
2.
Auch die Habilitationsschrift von 1971, Die
Rede vom Heiligen. Über ein religionsphilosophisches Grundwort (Freiburg/Br.
– München 1971, 21985) – angeregt durch Karl Lehmann, mit dem
zusammen Splett seinerzeit Assistent am Lehrstuhl Karl Rahners in München war –
steht thematisch zunächst auf der Seite der Rede
von Gott. Mit dem „Heiligen“ thematisiert sie jenen Begriff, der von Rudolf Otto her
zu einem Grundbegriff der Religionswissenschaften geworden ist und in die
Philosophie aufgenommen wurde, um die Ursprünglichkeit und Eigenart der
religiösen Dimension zu kennzeichnen. In Auseinandersetzung mit sieben
Gestalten der Rede vom Heiligen im 20. Jahrhundert insbesondere aus dem Bereich
der Phänomenologie (neben W. Windelband
und R. Otto werden v. a. die Entwürfe von M. Scheler, J. Hessen, P. Tillich, M.
Heidegger und B. Welte besprochen) entwickelt Splett einen Begriff des Heiligen,
das angesichts der Erfahrung von Schuld als Gericht und Gnade erfahren wird und
darin als personale Freiheitswirklichkeit
erscheint:
„Das
Heilige zeigt sich damit als Erscheinung des Göttlichen: als die Unnahbarkeit
der Nähe, als die Herr-lichkeit des Vergebens des heiligen Gottes“ (19).
Und
die Rede vom Heiligen findet ihre Sinnspitze im Ruhm und Lobpreis Gottes als „heilig offenbar Geheimnis“ (vgl. 346, Hervorhebung
von mir).[18]
Die
Erschließung des Heiligen geschieht dabei durch eine
„Reflexion des Menschen auf sich und
seine ‚condition humaine‘ als solche. Anders gesagt: auf seine Grunderfahrung –
als die endlicher Freiheit“ (9).
„Grunderfahrung meint dabei jenes
Innewerden (oder Je-schon-Innegeworden-sein) meiner selbst, meiner (als
unserer) Welt und meines Innewerdens dessen, es meint jenes ursprüngliche
Bewusstsein und – sei’s ‚unbewußte‘ – Wissen um sich und ‚das Ganze‘, das als
‚Mitwissen‘ (con-scientia) alle Einzelerfahrungen ermöglichend, tragend und
qualifizierend ‚begleitet‘ – indem es sie nicht nur (in leitendem Rückbezug auf
das Ich) als je meine bestimmt, sondern vor allem (im Rückbezug auf die
Sinn-Evidenz sich gewährender Wahrheit) als Erfahrung [...]. Grunderfahrung ist
[...] ‚transzendentale Erfahrung‘ (M.
Müller)“ (9-10, Hervorhebungen von mir).[19]
Ist mit diesen Bestimmungen der Anschluss an die von
der Transzendentalphilosophie sowie
dem Existenzdenken Martin Heideggers
geprägten Tradition seiner Lehrer Max Müller und Karl Rahner markiert, so
charakterisiert Splett die Philosophie
als
„prinzipielle
(Selbst-)Auslegung von Grunderfahrung“ (19),
die als solche „umfassende und prinzipielle
Daseinsinterpretation“ (9) ist. In der Beschreibung des Heiligen im Ausgang von
der „Erfahrung unbedingten Betroffenseins“ (225-230) lässt sie sich freilich – ihrem
Namen nach – nicht nur als „Liebe zur Weisheit“, sondern auch als „philia (des
Menschen als Denkenden) zum sophón“ (20-21), d. h. zum Heiligen,
charakterisieren. – Von hier aus wird zugleich Spletts Option für ein Modell christlicher Philosophie[20] zugänglich, das als methodisches
Selbstverständnis die Äußerungen aller weiteren Schriften explizit bestimmen
wird:
„Christlich in der Bejahung des
Erbes, das die reflektierte Grunderfahrung wie die Weise ihrer Reflexion
bestimmt;
Philosophie,
insofern es Auslegung der eigenen Erfahrung (im Gespräch mit der Tradition)
ist, nicht die (freilich stets auch das Eigene auslegende) Auslegung tradierter
Urkunden als (göttlich-)autoritativer“ (20).
Damit sind die wesentlichen Grundzüge und
begrifflichen Voraussetzungen skizziert. Vor allem den Begriffen Erfahrung und Freiheit kommt die Rolle von zentralen Erschließungskategorien zu,
die nicht nur für die Rede von Gott, sondern auch für die Rede vom Menschen die programmatischen Grundlegungen des Projekts „Anthropo-Theologie“
bestimmen werden.
3. Grundlegungen: Hauptwerke
und programmatische Schriften
1.
Für diese programmatischen Grundlegungen steht vor allem anderen Spletts
„Gotteslehre“, das Buch Gotteserfahrung
im Denken. Zur philosophischen Rechtfertigung des Redens von Gott (zuerst
Freiburg/Br. – München 1973). Ursprünglich als „systematisch aufgebautes Lehr-
und Handbuch“ (W. Kern) aus Vorlesungen erwachsen, die er seit Sommer 1969 an
der Hochschule der Jesuiten in Pullach gehalten hat, ist das Werk mehrfach
überarbeitet, aktualisiert und erweitert worden und liegt mittlerweile in 5.
Auflage vor (München 2005). Dieses am meisten durchgearbeitete Buch Spletts
lässt sich mit Fug und Recht als sein Hauptwerk bezeichnen. Als „philosophische
Theologie“, die das „Kernstück der Religionsphilosophie“ bildet (7), unternimmt
es – wie es programmatisch im ersten Satz heißt – „den Versuch, das Reden von
Gott philosophisch zu rechtfertigen“ (11). Unter dem Vorzeichen christlicher Philosophie (vgl. Kap. 1), bietet
es
„eine
transzendental-anthropologische Besinnung auf Grunderfahrungen und ‑vollzüge
des Menschen bzw. auf Grundmomente in jeglichem Erfahren und Handeln“ (5. Aufl.,
9).
Dabei
stellt sich das Buch ausdrücklich in die Kontinuität zu Die Rede vom Heiligen. Weiter ausgreifend als die
Habilitationsschrift, nimmt es nicht nur die Erfahrung des Heiligen, sondern
allgemeiner die vielfältige menschliche Erfahrung
von Sinn zum Ausgangspunkt, um darin
die (Mit-)Erfahrung Gottes zu erschließen (vgl. Kap. 2-3). Das Zentrum und den
Angelpunkt des Buches bildet dabei der „Gottesbeweis
Mitmenschlichkeit“ (Kap. 4), eine moderne Variante der klassischen
Gottesbeweise[21], der jedoch anders als diese
nicht kosmologisch, sondern anthropologisch ansetzt. – In seiner formalen Fassung lautet er:
„1. Im
Sinnanspruch des Menschen geht es um Absolut-Unendlich-Unbedingtes, und dies
nicht beliebig, sondern wesentlich, unaufhebbar.
2. Ein derart unaufhebbarer, wesensgesetzlicher Ausgriff kann nicht auf
schlechthin Unmögliches zielen.
3. Soll das Unbedingt-Absolute nicht unmöglich sein, dann darf es nicht
bloße Möglichkeit, sondern muss je schon Wirklichkeit sein“ (53).
Splett
greift damit das Modell des
transzendentalen Gottesbeweises auf, wie er in der Tradition des Transzendentalthomismus von J. Maréchal
entwickelt worden war.[22] Der formale Rahmen des Beweises wird
in einem zweiten Schritt inhaltlich „gefüllt“ durch die Erfahrungen konkreter
Mitmenschlichkeit, v. a. durch die Erfahrung unbedingten Betroffenwerdens durch
„Bitte, Anfrage, Anruf des anderen an mich“ (68):
„Darin
erfahre ich, rechte Antwort soll sein – und darum Frage nach ihr, Wahrheit soll
da-sein, und darum die, in deren Miteinander sie da ist: Wir – menschliche
Mitmenschlichkeit soll sein“ (68 f.).
Die
inhaltliche Fassung des
„Gottesbeweises Mitmenschlichkeit“ lautet daher:
„1. Als ‚Faktum der Vernunft‘ (I.
Kant) trifft uns ein so einsichtiger wie schlechthin verpflichtender Imperativ.
Er gilt fraglos, bedarf keiner Begründung, sondern rechtfertigt sich aus sich
selbst (darum heißt er – seit Platon – ‚Licht‘).
2. Gleichwohl stellt sich nicht allein anthropologisch, sondern schon
ethisch die Frage nach seinem Woher.
– Anthropologisch:
Wie lässt sich verstehen, dass der bedingt-begrenzte Mensch derart unbedingt,
kategorisch beansprucht wird?
– Ethisch:
Genügt es, faktisch zu tun, was der Imperativ fordert, oder wäre das Tun nicht
zugleich/zuvor als Antwort auf diesen Anspruch zu vollziehen?
3. In seiner Doppelgestalt von Einsichtigkeit und kategorischer
Verpflichtung kann der Anspruch einzig von freier Personwirklichkeit ergehen.
Nicht einer solchen, die ihrerseits unter ihm stünde [...], sondern sie muss von
Wesen gut und heilig sein: das Gute/Heilige in Person“ (73).
Im Gottesbeweis kristallisieren sich damit wie in
einem Brennglas die bereits genannten Grundmotive Splettscher Philosophie: die
Bedeutung der Wahrheit als Licht des Unbedingten und seine
Verpflichtung, moralischer Anspruch und
dialogische Antwort, die freie Personwirklichkeit und die Erfahrung des Heiligen im Gewissen. –
Es zeichnet sich mithin die summarische Bestimmung des Splettschen Gottesbegriffs
ab, nach der Gott das „Wovon-her unseres
unbedingt Gut-sein-Sollen(-dürfen)s“ ist.[23]
Zugleich
konzentriert sich gerade in der inhaltlichen
Fassung des „Gottesbeweises Mitmenschlichkeit“, der von seiner ursprünglichen
bis zu seiner späteren Fassung eine nicht unmaßgebliche Umarbeitung erfahren
hat, was Splett selbst als „Hauptverschiebung“ seines Denkens charakterisiert
hat: die „Wendung [...] vom Dynamismus [...] zum Getroffen-Werden und Sich-ergreifen-Lassen“[24]: „Vor die Intentionalität“
und die dynamische Selbsttranszendenz des Menschen von sich her, die den „transzendentalen Gottesbeweis“ von seiner
Herkunft aus der Schule Maréchals und Rahners kennzeichnete, rückt „nun das
Angesprochensein“ vom anderen her im
Sinne des Alteritätsdenkens von E. Levinas.
Der
weitere Gedankengang von Gotteserfahrung
im Denken stellt die Verbindung des „Gottesbeweises Mitmenschlichkeit“ zur
Tradition der klassischen Gottesbeweise her: Wie diese ist er „Kontingenzbeweis“[25], d. h. in ihm wird (a) die
Kontingenz der Welt überhaupt erschlossen sowie (b) deren geforderte Ursache
als einzig Nichtkontingentes, d. h. Absolut-Wirkliches und (c) dessen Charakter
als Freiheits- und Personwirklichkeit (vgl. 83, Kap. 5). Der doppelgestaltigen „Trans-Immanenz“ (93), in der Gott darin
gegenüber der Welt erscheint, trägt die doppelte Reflexion der folgenden
Kapitel Rechnung: (a) auf seine Immanenz
anhand des Schöpfungsbegriffs – wobei
dem Gedanken der creatio continua
besondere Bedeutung zukommt (Kap. 6)[26] –, und (b) auf seine Transzendenz mit Hilfe des Analogiegedankens[27]: Im Rückgriff insbesondere auf
Nikolaus von Kues geht es Splett darum, Analogie „im Licht personaler Dialogik
zu verstehen“ (117; Kap. 7) und das Gabe-Geschehen zwischen Schöpfer und
Geschöpf als dialogischen Freiheitsbezug sichtbar zu machen.[28] – Ihre Bewährung erfährt seine
Gotteslehre schließlich in Auseinandersetzung mit den (zeitgenössischen) Einwänden
(a) des Atheismus (Kap. 8) und (b)
der (Anti-)Theodizeen (Kap. 9). Im
Hinblick auf die Theodizee-Frage räumt Splett ein: „man wird mit ihr niemals
fertig, niemand wird es“ (175). Gleichwohl erhalten die Überlegungen seiner
Gotteslehre kein völlig offenes Ende, denn:
„Es
ist nicht so, als gäbe es gar nichts Gutes und keinen Sinn, oder als wäre, was
uns erfreut und beglückt, bloßer Zufall. Jeder hat Gründe und Grund zum Dank
[...]. Es geht also um das Gedenken an schon erfahrenen Sinn und um das Bedenken
seines Verheißungscharakter“ (214).[29]
Neben den
Aussagen der Gotteslehre ergeben sich vom „Gottesbeweis Mitmenschlichkeit“ aus aber
auch die zentralen Motive für die Lehre
vom Menschen. Insbesondere dem Begriff der Freiheit kommt dabei, wie
bereits angedeutet, entscheidende Bedeutung zu.
2.
Denn es ist der Begriff der Freiheit, der leitmotivisch jene drei
Schriften miteinander verknüpft, denen im Projekt „Anthropo-Theologie“ seitens
der Rede vom Menschen programmatische
Bedeutung zukommt: (2.1) Als „Entwurf einer philosophischen Anthropologie“[30] bzw. „Gesamtgrundriss christlicher Anthropologie“[31] besitzt das
Buch Der Mensch in seiner Freiheit (Mainz
1967) in erster Linie Einführungscharakter, insofern es v. a. die Verbindungen
zur Frage nach dem Menschen in Tradition und Gegenwart herstellt (vgl. v. a.
Teil I). – (2.2) Demgegenüber schafft der Band Konturen der Freiheit. Zum christlichen Sprechen vom Menschen (Frankfurt/M.
1974) in inhaltlicher Hinsicht die eigentlichen Grundlagen. – (2.3) Die Schrift
Freiheits-Erfahrung. Vergegenwärtigungen
christlicher Anthropo-theologie (Frankfurt/M. 1986) schließlich trägt mit ihren
daran anschließenden „Verdeutlichungen“ als „Über- und Zusammenschau“[32] das Gepräge des Vervollständigenden und Summarischen. –
Mit dem Begriff der Freiheit greift Splett dabei jenen Begriff auf, der nicht nur von
der Tradition der Philosophie des Deutschen Idealismus her, sondern auch aufgrund
des allgemeinen Zeitbewusstseins
des 20. Jahrhunderts als zentrales Kennzeichen für das Selbstverständnis des Menschen
gelten kann.[33]
2.1. In diesem Sinne situiert der Band Der Mensch in seiner Freiheit – als erster
Band einer von Karl Rahner geplanten
Laiendogmatik konzipiert und von Splett als „Ersatzautor“ für Johann Baptist
Metz übernommen[34] – seine
Überlegungen im Horizont der „Frage nach dem Menschen“, die die Philosophie von
Beginn an begleitet hat. Durch die „anthropologische [...] Wende im 20. Jahrhundert“
(14) hat sie eine besondere Intensität erhalten und die Gegenwart „das
anthropologische Zeitalter, das Zeitalter des Menschen“ (13) werden lassen. Gerade die Fraglichkeit des Menschen ist dabei
Bezugspunkt, um zu zeigen
„wie
der Mensch sich als leib- und welthaftes, geschichtliches Wesen begreift:
vielfach bedingt und voller Fragwürdigkeit; zugleich aber – in aller Fraglichkeit –
unweigerlich unter fraglosen Anspruch gestellt, der ihn unbedingt einfordert,
ihn in die Wahl von Ja und Nein ruft, ohne dass er der Entscheidung ausweichen
könnte“ (10; vgl. Teil I).
Endlichkeit und Geschichtlichkeit, Raum und
Welt (Leiblichkeit) sowie Zeit und Geschichte erscheinen dabei als die zentralen „Wesensbestimmungen
des Menschen (seine ‚Existentiale‘ oder ‚Existenzialien‘)“ (ebd.), die den „bedingten Menschen“
(vgl. Teil II) „im Licht des Unbedingten“ (vgl. Teil III) zeigen. In diesem
Licht ergeht der Anspruch und Anruf Gottes an ihn, der ihn zum Vollzug
der Selbsttranszendenz „gerufener
Freiheit“ veranlasst.[35]
2.2. Das Buch Konturen
der Freiheit setzt diese Linie fort. Obwohl nicht als Monographie konzipiert,
sondern aus verschiedenen Aufsätzen erwachsen, hat es unter den Schriften
Spletts dadurch einen besonderen Status gewonnen, dass es an der
Jesuitenhochschule in Frankfurt/M. jahrzehntelang das Lehrbuch für das Fach
Anthropologie war. Als „philosophische Grenzbetrachtungen“ (9) wollen die
Ausführungen die Freiheit als
menschliche Grundbestimmung „konturieren“. Denn:
„‚Grenze‘
[zeigt] sich [...] als ein Grundmotiv von Existenz. Und darauf zielt der Name
KONTUR. Alles, was uns begegnet, ist es selbst – und ist nicht ein anderes, als
es ist. Es ist weder alles noch nichts, sondern dieses Bestimmte; in seinen
Grenzen und von ihnen her ist es, was es ist: ‚Konturlose, unbestimmte Freiheit
ist keine‘“ (11).
Den Anfang bildet im 1. Kapitel
ein „positiver Aufweis menschlicher Willensfreiheit“ (15), der zugleich „ein
zugespitztes Resümee des III. Hauptteils von Der Mensch in
seiner Freiheit“ (15, Anm. 1) ist und die Grundlagen für die weiteren „Konturierungen“
schafft. Bemerkenswerterweise ist es der theoretische Kontext der modernen (Natur-)Wissenschaften mit ihren
Aussagen und Behauptungen, näherhin die Problematik der Wahrheit und Gewissheit
dieser Aussagen, an welche die Analysen Spletts in sprachphilosophischer Weise anknüpfen:
„Behauptung
ist Tat von Freiheit, sonst wäre sie kein Behaupten; aber sie ist nicht Willkür. In jedem Urteil geht es um die Wahrheit (selbst der
Lügner muss das behaupten); und wie dies Gehen-um Freiheit bedingt, so wäre
andererseits Freiheit verkannt, wenn man diesen Ernst, ihr Eingefordertsein
nicht sähe [...]. Das Du-sollst der Wahrheitsforderung aber – sofern es hier
und jetzt tatsächlich ergeht – verbietet dem Angeforderten gerade auch die
Ausflucht des ‚Ich kann nun einmal nicht anders‘; nur Freiheit kann
Sollen überhaupt vernehmen: Wer es vernimmt, ist grundsätzlich frei [...]. In
jedem Urteil, in allem geistigen Tun,
anerkennen wir schon, dass wir unter diesen Anruf der Wahrheit gestellt sind“
(30).[36]
Gerade im (natur-)wissenschaftlichen Kontext erscheint
somit die Freiheit in ihrem Gerufensein
unter dem Anspruch der Wahrheit. Ihr
zentrales Charakteristikum und ihr Kern ist daher das Sollen, das in der Erfahrung des Gewissens explizit wird und den anthropologischen Überlegungen
Spletts ihr grundlegend moralisches Gepräge verleiht.
Auf dieser Grundlage werden die
weiteren „Konturierungen“ der Freiheit des Menschen bedacht: durch die
beschränkenden Naturbedingungen in seiner Leibhaftigkeit
(Kap. 2), durch den Widerstand anderer Freiheit unter dem Stichwort „Autorität“ (Kap. 3), durch Schuld (Kap. 4), Sterblichkeit und Tod (Kap.
5).[37] – Die Betrachtung der Grenzen
soll dabei letztlich zum „Selbst-Überstieg“
führen, „den Freiheit als ihren Wesens-Sinn erfährt und lebt“ (12). So münden
die Überlegungen in das 6. Kapitel: „Befreiendes Reden vom Menschen:
‚Anthropo-theologie‘“, denn „befreiend vom Menschen und seiner Freiheit kann
man nur sprechen, wenn man ausdrücklich von Gott spricht“. – Insofern es sich
bei diesem Kapitel ursprünglich um die o. g. Antrittsvorlesung handelt, zeigen
sich die Konturen der Freiheit als die
eigentliche Fundierung der anthropologischen Seite des Splettschen Programms.
2.3. Schon im Titel bringt der dritte der genannten
Bände die beiden Begriffe zusammen, die oben als Leitmotive der
programmatischen Grundlegungen Spletts hervorgehoben wurden: Freiheits-Erfahrung. Überdies benennt der
Untertitel des den beiden Söhnen Martin und Thomas gewidmeten Werks – im
Übrigen als einziger Buchtitel – explizit das Programm „Anthropo-Theologie“ und
deutet so an, dass der Autor hier zu seinem 50. Geburtstag eine gewisse Summe
des Bisherigen vorlegt. Die 15 Kapitel sind in vier Teile gebündelt. Neben den
in Konturen der Freiheit genannten
Grunddimensionen des Menschseins („I. Im Licht des Unbedingten“: Wahrheits-Anspruch, Kap. 1; Grundbegriff „Gott“, Kap. 3; ergänzt um
ein Kapitel zur christlichen Philosophie,
Kap. 2; „II. Lebensbedingungen“: Freiheit,
Kap. 4; Gemeinsamkeit und Autorität, Kap. 5; Tod, Kap. 10) umfasst der Band Vertiefungen zu den Phänomenen Sexualität (Kap. 6), Kind-Sein (Kap. 7), Krankheit (Kap. 8) und Alter (Kap.
9). Auch die unter dem Titel „III. Zeit-Fragen“ geordneten Themen – Hoffnung (Kap. 11), Heimat (Kap. 12), Frieden
(Kap. 13) – enthalten über die aktualitätsbedingten Motive ihrer Entstehung in
den 1980er Jahren hinaus grundsätzliche Phänomenbeschreibungen.
Eine
herausgehobene Bedeutung unter den Schriften Spletts kommt dem Band jedoch vor
allem deswegen zu, weil er im abschließenden IV. Teil unter dem Titel
„Trinitarischer Sinn-Raum“ (Kap. 14 und 15) nicht nur erstmals die o. g. denkerische
Verschiebung zu E. Levinas dokumentiert (vgl. v. a. 334-339) und dadurch den dialogischen Akzent wesentlich stärkt. Vor
allem wird – unter dem Einfluss des mittelalterlichen Theologen Richard
von St. Viktor – als das Grundmaß von Freiheits-Erfahrung das „Drei-Gespräch“
aufgezeigt, und so die Trinitätslehre
anthropologisch fruchtbar gemacht:
„Wie
das Ich sich erst in Kommunikation mit einem Du verwirklicht, so entsprechend
das Wir. Die zwei schließen den Dritten nicht aus und sich ihm gegenüber ab, sondern
sie nehmen ihn an und auf, räumen ihm einen Ort ein, lassen ihn sein und sich
entfalten. Sie erfahren ihr eins in diesem Dienst und Entzücken an ihm, und sie
freuen sich um seinetwillen, dass sie zu zweit ihm reicheren Raum geben können.
– Er wiederum findet nicht nur sich selbst und ‚entfaltet‘ sich in ihrer
Zukehr, sondern er freut sich zugleich, in seinem Beschenktwerden ihrem
Schenken, das heißt ihrem Einssein, zu dienen“ (316).[38]
Im „trinitarischen Sinn-Raum“
wird es einerseits möglich, die Drei-Einigkeit Gottes wirklich als Drei-Einigkeit zu denken, andererseits eröffnet
sich anthropologisch der Weg, die Einheit und den Zusammenhang von Gottes- und Nächstenliebe zu begreifen, ohne die eine auf die andere
zurückzuführen. Im „trinitarischen Sinn-Raum“ können somit jene Fragen ihre Beantwortung
finden, die sich von der Dissertation über Hegel her stellten.
Wie ein Kranz gruppieren sich die weiteren Bücher um
diese programmatische Mitte und entfalten die Grundmotive nach verschiedenen
Richtungen hin.
1. Dabei stehen jene
Entfaltungen, die sich auf der Linie des Redens
von Gott bewegen, mehr oder weniger unmittelbar im Zusammenhang mit den Erörterungen,
die durch Die Rede vom Heiligen und Gotteserfahrung im Denken vorgezeichnet
sind:
1.1. Die kleine Schrift Sakrament der Wirklichkeit. Vorüberlegungen zu einem weltlichen Begriff
des Heiligen (Würzburg 1968) bietet im zeitgeschichtlichen Kontext des
Zweiten Vatikanischen Konzils angesichts der Einebnung des Unterschieds von
Sakralem und Profanem, der den Geist jener Jahre bestimmte[39], eine Konkretisierung der Rede vom Heiligen, indem sie die
Begriffe „Sakrament“, „Welt“, „Wirklichkeit“, „Gnade“ vom Gesichtspunkt
christlicher Philosophie aus zugänglich macht. Zentrale Erschließungskategorie
ist dabei der Begriff des Symbols (11-24),
dem schon in der Habilitationsschrift eine entscheidende Bedeutung zukam.[40] Er macht zunächst Wahrheit, Gewissheit (25-38) und Geschichtlichkeit (39-52) als „Pole der
Spannung [sichtbar], in welcher ‚symbolische‘ Existenz sich vollzieht“ (53), um
von hier aus zu einem Begriff von „Welt“
im christlichen Verständnis (53-68) und – unter Vermittlung des Glaubens (69-81) – zum Verständnis von „sakramentaler Welt“ (82-96) zu führen:
„Kraft des Heiligen ist die Wirklichkeit in all ihren
Dimensionen Sakrament“ (97).
Die „Überlegungen über die
Gegenwart des Heiligen in dieser Welt“ münden schließlich in die Betrachtung
der Eucharistie als „Gabe des
heiligsten Sakraments“ – und die „Besinnung über diesen Dankvollzug in neuen
Dank“ (115).
1.2. Die Fragestellungen moderner Sprachphilosophie
und Wissenschaftstheorie sowie marxistischer Religionskritik greift der Band Reden aus Glauben. Zum christlichen Sprechen
von Gott (1973) auf, indem er die philosophische Gottesrede zurück bindet an
„die Reflexion von Verstehensbedingungen, welche die heutige Bewusstseinslage
als solche und eher den Menschen als ganzen betreffen“ (9):
„‚Reden von Gott‘, das nötigt dazu, nach einer möglichen Gottes-Erfahrung
zu fragen, von woher allein solches Reden legitimiert werden könnte“ (10; vgl.
13-26).
Werkchronologisch zwischen Die Rede vom Heiligen und Gotteserfahrung
im Denken angesiedelt, sind die Ausführungen bewusst als „Vorfragen, Vorüberlegungen,
‚Präludien‘ zum Thema“ (11) gekennzeichnet, die „nach verschiedenen Richtungen
hin [...] das Sprechen von Gott gegenüber Missverständnissen und
grundsätzlicher Ablehnung in seinem Zielsinn“ bestimmen „und nach seinen
Möglichkeiten“ verdeutlichen: als Reden, das (a) nicht nur von Gott handelt, sondern auch – als Gebet – vor Gott und –
als Wort Gottes – von ihm her geschieht (vgl. 27-47), (b) als „Zeugnis, das sich festlegt“ (48-67) – angesichts
(c) von Glaubenskritik und kritischem
Glauben in der Gegenwart, wie sie sich durch die Religionskritik (68-86) und (d)
die Forderungen der technischen Welt mit ihren Fortschrittsprognosen stellen
(87-108), sowie schließlich (e) angesichts eines sich wandelnden und dieser
Wandlungen sich bewussten Glaubensbewusstseins (109-124). Ihnen gegenüber zeigt
sich die christliche Gottesrede als „ewige Botschaft“ (Offb 14,6) – mit ihrem Zeugnis von der Nähe Gottes, der Erlösung
von Schuld, der Verwandlung der Welt, der Eröffnung von Freiheit aus Gnade
(125-144). Denn:
„Das
Jetzt der Zeit der Gnade ist von nun an allezeit, solange Zeit ist. Wirklich
als Jetzt – nicht mittlerweile als derart vergangen, ‚dass es schon nicht mehr
wahr ist‘. Als Jetzt, das jederzeit den angeht, der seiner Botschaft begegnet.
Insofern mag sie also ewig heißen“ (127).
1.3. Im zeitlichen Abstand von fünfundzwanzig
Jahren nehmen die Ausführungen des ungedruckten Skripts Gottes-Anruf. Über das Wort von Gott (unseres wie seines) und das Wort
zu Ihm (1998) noch einmal den „Bezug zum Heiligen“ zum Ausgangspunkt, um
das Wesen von Religion zugänglich zu machen. Ihre Herausforderung besitzen sie
„in der neuen Konjunktur ‚negativer Theologie‘“, die an die Stelle des
(konkreten) Dreieinigkeits-Bekenntnisses das diffuse Schweigen vor dem
namenlosen Geheimnis setzt. Demgegenüber profiliert Splett die eigentliche
Grundbedeutung von Geheimnis als
„Gesammelt-Daheim-sein“[41]. Sie erhält ihren besonderen
Sinn dadurch, dass „Person und Person-sein [...] zu den Grund-Geheimnissen
unseres Lebens“ zählen und im Geheimnis der Dreieinigkeit Gottes ihren Ursprung
und ihren Zielsinn finden. Von der Bestimmung des Heiligen (Kap. 1) über die Gotteserfahrung im Gewissen (Kap. 2), die Rückbindung der darin sichtbar werdenden
Dimension des Personalen an die trinitarische
Gemeinschaft (Kap. 3) und die Rechtfertigung des Schöpfungsverständnisses gegenüber der Theodizeefrage (Kap. 4) führen die Überlegungen schließlich zu
einer Kriteriologie des Betens als Rede
von und zu Gott bzw. als „Antwort des Gerufenen“ (Kap. 5). – Als „Arbeitsunterlage“
„in dankbarer Erinnerung an ein intensives Wochenende mit Religionslehrern in
Fulda (März 1998)“ entstanden, gibt das Skript gerade in seiner fragmenthaften
Gestalt (und ohne Fußnoten!) einen guten Überblick über die zentralen Topoi
Splettscher Philosophie.[42]
2. Für jene Schriften, die im engeren Sinne die Rede vom Menschen weiter entfalten, lässt
sich aufgrund der o. g. „Konturierungen“ eine dreifache Unterscheidung treffen: (2.1) So ist das anthropologische
Zentralmerkmal der Freiheit im
Hinblick auf seine Verwirklichung Gegenstand
jener Bücher, die vor allem ethische Thematik
haben und damit den o. g. praktisch-moralischen Grundimpuls weiter
ausbuchstabieren. – (2.2) Auf die besonderen Bedingtheiten der Freiheit ist eine Gruppe von Schriften gerichtet,
für die wiederum der Kategorie des Symbols
eine Schlüsselfunktion zukommt. Denn der Rede vom Menschen geht es nicht um
„Freiheit schlechthin, ‚abstrakte‘
Freiheit [...], sondern [...] [um] das Faktum und die Notwendigkeit ihrer
Realisierung, Freiheit als Vollzug und Selbstdarstellung: die Wirklichkeit der
Freiheit als/in Symbol.“[43]
„Ursymbol
ist für uns derart der menschliche Leib, in dem die Person sich zur Mitwelt hin
aussagt, de-finiert und erscheinend verwirklicht. Ähnlich die Grundvollzüge
unseres Lebens, in denen Wollen und Denken erst als wirksame voll wirklich
werden; vor allem die Sprache, die nicht nur ein gegebenes ‚Zeichensystem‘ ist
[...], sondern zuvor der gebende Ordnungsentwurf einer ‚Welt‘.“[44]
Zu den symbolischen
Grundvollzügen gehört neben dem Leib
und der Sprache schließlich auch das Spiel: „die
Spiel-Welt ist symbolische Welt“[45]. Neben den
Schriften zu Leiblichkeit und Geschlechtlichkeit, Partnerschaft und Ehe umfasst
diese Gruppe daher auch Überlegungen zu Sprache, Dichtung und Kunst sowie zum
Spielen. – (2.3) Auf die Beanspruchung
menschlicher Freiheit schließlich gehen jene Publikationen ein, die mit ihrer
Bindung an die Wahrheit dem elementaren
Vorzeichen der Philosophie Spletts weiteres Profil geben und den Status seiner Überlegungen
als christliche Philosophie reflektieren.
2.1. Unter den im engeren Sinne ethisch ausgerichteten Schriften
ist das Buch Lernziel Menschlichkeit. Philosophische Grundperspektiven (Frankfurt/M. 1976, 2. Aufl. 1981) dem Titel wie
dem Inhalt nach wohl das am stärksten praktisch-pädagogisch orientierte. Es
setzt – mit Hinweis auf Sokrates – beim bereits o. g. Merkmal der Fraglichkeit des Menschen an. Diese
Frage ist „niemals (nur) theoretisch, sondern stets auch, ja vor allem,
praktisch gestellt [...]. [E]s kommt ihr auch und zuvor auf eine zu
lebende Antwort an“ (11):
„Nach
dem Menschsein fragen heißt nach Menschlichkeit fragen. Und diese ist
kein theoretisch-objektives Datum, sondern eine Zielwirklichkeit; das heißt,
nicht ein vorliegendes Ziel, das es bloß zu erreichen, sondern eine Wirklichkeit,
die es erst zu ver-wirklichen gilt“ (14).[46]
Ausgehend von einer ausdrücklichen Besinnung auf die
„Grund-Entschei-dungs-Situation des Menschen“ (15, Kap. 1) zwischen Freiheit, Angst und Aggressivität werden als weitere Dimensionen dieses
Verwirklichungsprozesses die Themen (a) Wissenschaft
(als Abschirmung gegen das ängstigende Geheimnis von Dasein in Leben und
Freiheit, Kap. 2), (b) Leiblichkeit und
Scham (als „entschiedener Wille zur
Wahrung von Wert und Würde des Menschen“ [16], Kap. 3), (c) Bildung (als Ziel der „Menschwerdung“
des Menschen, Kap. 5) und schließlich (d) das Gebet (als Grundwort des Menschen bzw. Antwort und Entsprechung auf
den an ihn ergangenen Ruf, Kap. 6) erörtert. Denn: „Der Mensch ist als Wesen
des Wortes ursprünglich Wesen von Antwort“ (115), und in den unterschiedlichen
Modi betenden Sprechens fasst er sich selbst in seinen verschiedenen zeitlichen
Dimensionen zusammen, um sich als ganzen vor Gott zu bringen:
„[I]ndem
nun gerufene Freiheit dankbar ihre Herkunft, bittend ihre Zukunft Augenblick
für Augenblick wirklich erhält, indem sie aus der Freigebigkeit sie berufender
Freiheit zu sich selber freigegeben wird, wird sie zugleich auch von sich und
der Sorge um sich befreit. Dank und Bitte können sich ihr dann in dem
vollenden, wofür sie immer neu dankt und worum sie immer neu bittet: im Wagnis
selbstvergessenen Lobs. – Fest [...] ist die Vollendung des Danks. Die Mitte des
Fests ist der Lobpreis [...]. Nicht mehr Herkunft und Zukunft: stehendes Jetzt – nicht als Flucht
aus der Zeit, sondern als ihre Sammlung. Nicht mehr Sorge und Zweck, nicht
Warum noch Wozu: reiner Sinn. Anders gesagt: im Lobpreis ist Liebe ganz zu dem geworden, was sie ist “
(139 f., Hervorhebungen von mir).
Den
Schwer- und Zentralpunkt der Überlegungen, der auch die beiden letzten Kapitel motiviert,
bildet dementsprechend im 4. Kapitel der Gedanke der „‚strukturalen
Selbstlosigkeit‘ des Menschen“ (17): Wenn der Mensch nach sich selbst fragt,
geht es ihm eigentlich nicht um sich selbst. Weder in der Suche nach sich
selbst noch in der Verleugnung seiner selbst findet er sein Glück, sondern
einzig in der Selbstvergessenheit, im
erfüllenden Beglücktsein vom anderen:
„Möglichkeit
und Sinn der Menschlichkeit des Menschen werden darin gesehen, dass er sich
durch seine Liebe bestimmt“ (17).
Als
„Klärung und inhaltliche Präzisierung“ (11) und daher als unmittelbare
Fortsetzung von Lernziel Menschlichkeit
versteht sich das Buch Der Mensch ist
Person. Zur christlichen Rechtfertigung des Menschseins (Frankfurt/M.
1978). Im zeitgeschichtlichen Kontext jener Jahre, der sog. „Grundwertedebatte“
in der Bundesrepublik Deutschland entstanden, will es darüber hinaus deutlich
machen, worin der Beitrag eines spezifisch christlichen
Redens vom Menschen hierzu sowie zu einer philosophischen Anthropologie im allgemeinen
besteht.[47] Die Fragestellung gibt Splett
Anlass, in nachdrücklicher Weise das Gewissen
als „Ernst“ und „Mitte“ (11) des ethischen Ideals der „Menschlichkeit“ sichtbar
zu machen, in dem sich die Unbedingtheit moralischen Sollens (vgl. 13) zeigt; den
„Kern der Unbedingtheit“ (13) aber benennt der Name Person:
„Gewissenserfahrung
ist die Erfahrung von Selbsthaftigkeit und unvertretbarem, unabnehmbarem
Personsein“ (46).
Für
die Grundlegung seiner Personkonzeption,
die Splett in diesem Band am ausführlichsten entfaltet und in unmittelbare
Kontinuität zur „Einführung in eine christlich-philosophische Anthropologie“
von Der Mensch in seiner Freiheit stellt
(vgl. 22), sind damit vor allem zwei Elemente kennzeichnend:
(a)
Indem er zum einen die „Wesensbindung dieses Begriffs an den Begriff eines
persönlichen freien Schöpfergottes“ zeigt, macht er deutlich, dass Menschsein
und Mit-Menschlichkeit, Ethos und Ethik letztlich nicht innerweltlich
begründbar sind, dass „die letzte Begründung des Humanums“ vielmehr in der
christlichen Botschaft zu finden ist[48]: „Respektierung der Person lässt
sich nur im Blick auf ihren Schöpfer rechtfertigen“ (28).
(b)
Indem er zum anderen die „einzigartige Unbedingtheit des Personalen“ bewusst in
der „Differenz von Vernunft und Freiheit, Natur und Geschichte, Geist und
Person“ (14) situiert, tritt er in Distanz zur klassischen Konzeption des Guten als desjenigen, „wonach alles
strebt“ (bonum est quod omnia appetunt)
sowie zum Konzept eines appetitus
naturalis bzw. eines natürlichen Verlangens (desiderium naturale), wie es nach Aristoteles und Thomas von Aquin
für den Entwurf einer eudaimonistischen Ethik kennzeichnend ist. Statt das Gute als für den Menschen „Erfüllendes“
zu begreifen (worin er eine genuin ethische Perspektive nicht ausreichend
gewahrt sieht)[49], fasst Splett es – in Anknüpfung
an Platon, aber v. a. an I. Kants Lehre vom „kategorischen Imperativ“ – als
„Forderungs-Wirklichkeit,
Soll-Sein und Sein-Sollen zugleich. Und es ist ebenso zugleich
objektiv-unbedingt und doch nicht einfachhin ‚theoretisch‘ anschaubar oder
erfühlbar; sondern es wird nur in einer grundwillentlichen Eröffnung der Person
erfahren, die man weniger als Streben, denn als Gehorsam und Hingabe sehen muss“
(55).
Im Gewissen des
Menschen findet der Anruf des Guten sein Organ. Denn in ihm „meldet sich ein
doppelter Selbst-Überstieg an“: (a)
„in der Frage, woher man denn solle“
und (b) „im Horizont von Gut und Böse und bezüglich seiner Stellungnahme
hierzu“ (48 f.). Das Gewissen ist daher für Splett zwar nicht unmittelbar
„Stimme Gottes“ (vgl. 47 f.), aber doch primärer Ort der Gotteserfahrung, da
Hinweis auf „eine absolute Personal- und Freiheitswirklichkeit“ (49).[50]
Die
so entworfene Grundlegung seines
Person-Konzepts (Kap. 1-3) wollen die folgenden Kapitel des Buches
konkretisieren und bewähren. Neben den Dimensionen der Religion (Kap. 4), der Geschlechtlichkeit
(Kap. 5) und der Lebensform Ehe (Kap.
6) sowie dem „An-blick des Schönen“ und der Freude
(Kap. 8), in denen Freiheit ihre Erfüllung findet, erscheint dabei – in Konsequenz
des oben Gesagten – auch der Gehorsam
(und das damit verbundene Vertrauen) als
eigenes Thema (Kap. 7), das der Gewissenserfahrung einen Rahmen gibt. Sein
innerer Kern
„ist
nicht eigentlich negativ das Unvermögen oder der Verzicht darauf, selber
Einsicht zu nehmen, sondern der vertrauende Blick in des anderen Antlitz; nicht
eigentlich der (letztlich notgedrungene) Verzicht auf ‚Selbstherstellung‘,
sondern die Annahme meiner selbst – und der Welt überhaupt aus der Hand eines
anderen“ (185).[51]
Die
damit noch einmal hervorgehobene „menschliche Grundsituation als Antwort-Situation“ (6) buchstabiert die
Schrift Zur Antwort berufen. Not und
Chancen christlichen Zeugnisses heute (Frankfurt/M. 1984, später: Zur Antwort berufen. Zeugnis aus christlichem
Stand, Köln 2005) aus. Als Zusammenfassung von Überlegungen, die „der
Verfasser vor Priester- und Ordensleuten vorgetragen“ hat (9), enthält sie eine
christliche Standeslehre,
„[n]icht
bloß für Priester und Angehörige der Orden, sondern für Einzelne jeden Standes,
so weit es ihnen um den Ernst und die Freude christlichen Lebens zu tun ist“
(9).
Auf
der Basis der philosophischen Profilierung menschlichen „Selbstseins in Antwort“ gegenüber
Modellen der Selbstherstellung, Selbstverwirklichung oder Selbstfindung (Kap.
1) thematisieren die folgenden Kapitel „praxisnäher“ das apostolische Zeugnis heute (Kap. 2) und den Rätestand (Kap. 3). Die erweiterte Aktualisierung enthält überdies Ausführungen
zur Mission (Kap. 4) und zum Christsein in der säkularen Welt (Kap.
5). Zielperspektive der Überlegungen ist „das Glück aufgehobener Freiheit“, das
Gottes Geist dem Menschen schenkt
(Kap. 6). Eine Meditation über die sieben Gaben des Heiligen Geistes in
Anknüpfung an die Collationes de septem
donis Spiritus Sancti von Bonaventura rundet dementsprechend als „eine
kleine, konzentrierte ‚Anthropo-Theologie‘“ (9) den Band ab (Kap. 7).
Das
Buch Leben als Mitsein. Vom trinitarisch
Menschlichen (Frankfurt/M. 1990) bietet noch einmal „in zugänglicherer
Weise“ (10) als die Abschlusskapitel von Freiheits-Erfahrung
die trinitätstheologische Verankerung
des Personbegriffs und der Anthropo-Theologie Spletts mit dem Aufweis,
„dass
das Gottesgeheimnis des Menschen auch schon in philosophischer Perspektive
trinitarisch gedacht werden muss, will man seiner Person-Würde und Gottes
Göttlichkeit entsprechen“ (10).
Am
Beginn stehen hinführende Überlegungen zu zeitspezifischen Phänomenen wie einem
skeptisch-distanzierten Agnostizismus (Kap.
1), einem eindimensionalen Ideal von Wissenschaft
(Kap. 2) und den Angeboten natürlicher Ganzheitlichkeit,
„(tiefen-)seelischer Integration und religiöser Verschmelzung“ (Kap. 3), in
deren „Programmen reiner Einfachheit“ Splett „die alte Konzeption vom
‚appetitus naturalis‘, dem Naturstreben als Grundbestimmtheit von Menschsein,
Leben und Liebe“ (11) identifiziert – und damit an die o. g. Eudaimonismuskritik
anknüpft. Die Mitte der Ausführungen bildet ein Diptychon, das unter den
Überschriften „Liebe religiös“ und „Der/die Dritte“ (Kap. 4: „Antwort:
Mit-Sein“) zeigen will, dass
„Liebe
nicht als Lebens-Durst und Überlebens-Sehnsucht, sondern als gelebte
Freigebigkeit“ (11)[52]
verstanden
sein soll. In Entfaltung des trinitätstheologischen Ansatzes von Richard von
St. Viktor wird dabei insbesondere die Person des Heiligen Geistes, die in der klassischen Tradition häufig
„vergessene“ dritte Person in Gott, in der ihr gebührenden Rolle innerhalb des
göttlichen Lebens gewürdigt:
„Der
Vater – ursprungslos – gibt ohne jeden Vorbehalt sich und das Seinige dem Sohn.
Und dieser, restlos alles, auch das Gebendsein, empfangend, gibt so selbst
von/mit dem Vater. Der Geist ist nun die Person des reinen Empfangs; er gibt
dies sein Empfangen [...]. Er/Sie, die Person des Empfangens in Gott, ist auch
die Empfangs-Kraft in uns. Es geht ihm nicht um sich, sondern um die Ankunft
des Wortes des Vaters“ (69 ff.).
„Abklärungen
und Differenzierungen“ zur „Dreieinigkeits-Offenbarung“
(Kap. 5) und zum „Grundgesetz
Freigebigkeit“ (Kap. 6) vervollständigen die Ausführungen.
Der
Band Gott-ergriffen. Grundkapitel einer
Religionsanthropologie (Köln 2001) bildet gewissermaßen den Abschluss des
von Lernziel Menschlichkeit geschlagenen
Bogens, indem er die Beschreibung der Erfahrung des Menschseins und
Menschwerdens auf den Begriff der Sazienz
konzentriert. Splett übernimmt diesen – analog zum Begriff „Evidenz“ – aus dem
lateinischen sacire-„ergreifen“ gebildeten
Begriff von Reinhard Lauth[53] und erläutert ihn mit einem
Hinweis auf die Grammatik:
„[D]ie
klassische Metaphysik scheint nur Aktiv und Passiv als Aktionsarten zu kennen
(bis hinein – nicht folgenlos – in die Geschlechtermetaphysik), während es in
den klassischen Sprachen noch das Medium gibt. Es sei hier nicht als die
dritte, sondern als erste und ursprüngliche Vollzugsform eingebracht. Im Deutschen
lässt es sich nur durch eine Reflexiv-Konstruktion mit ‚Lassen‘ ausdrücken
[...]. Und solches Sich-Erfassen-Lassen ist – so die Kern-These dieses Buchs –
vor Aktiv und Passiv die Grundvollzugsweise von Sein und Leben in allen seinen
Dimensionen: der ethischen, ästhetischen, erotischen, sexuellen wie religiösen:
überall steht am Anfang ein Ergriffenwerden, das man nicht (autonom-aktiv)
machen kann, dem man jedoch auch nicht passiv ausgeliefert ist; denn man kann
sich verweigern“ (15).
Ergänzt wird diese Grundthese durch eine zweite,
nach der „alle (ernstliche) Erfahrung [...] Glaubenserfahrung“
(15, Hervorhebung von mir) sei:
„Sinnverhalte,
Freiheits-, Personwirklichkeit bekommt man einzig darin zu wissen, dass man sie
glaubt“ (16).
Auf beide Thesen
hin werden die bekannten Themen Splettscher Philosophie – „Menschsein als Antwort“ (Kap. 1), „Gotteserfahrung im Gewissen“ (Kap. 2), Atheismus (Kap. 3) und „Grundakt
Gebet“ (Kap. 5) – konzentriert. Einen eigenen Raum nehmen Betrachtungen zu
den drei göttlichen Tugenden Glaube,
Hoffnung und Liebe unter dem Titel „Lebensgeschenk des Vertrauens“ (Kap. 4)
ein, um schließlich in einen „Ausblick“ auf das Geheimnis zu münden.
Im Ganzen illustrieren von Lernziel Menschlichkeit zu Gott-ergriffen die praktisch-ethischen
Schriften somit noch einmal die o. g. Hauptverschiebung im Denken Spletts, die
von der Betonung der Intentionalität und Aktivität des Subjekts zu einer
stärkeren Akzentuierung seines Getroffenwerdens und Erfasstwerdens als Kern
seiner Freiheit führt.
2.2. Einen besonderen Kristallisationspunkt im
Denken Spletts bildet der Themenkreis Leiblichkeit-Geschlechtlichkeit-Ehe.
Nicht nur in der Hinsicht, dass der Leib Ur-Symbol des Menschen ist, wird es zu
einem besonderen Gegenstand, auch die trinitätstheologischen Überlegungen zur Gestalt
menschlichen Mit-Seins, zur Einheit von Gottes- und Nächstenliebe und zum
Verhältnis von ehelicher und zölibatärer Lebensform finden hier ihre
Konkretion. Von eigener literarischer Gestalt ist dabei das kleine Buch Meditation der Gemeinsamkeit. Aspekte einer
ehelichen Anthropologie (München 1970, 3. Aufl. Hamburg 1996), gemeinsam
von den Eheleuten Ingrid und Jörg Splett verfasst. Als „Meditation“, die innerhalb
des Projekts philosophischer Anthropo-Theologie gegenüber der „extravertierten“
Gestalt argumentativer Begründung in anderen Schriften einen „mehr
‚introvertierten Austausch‘“ (5), „denkendes Schauen“ (8) repräsentiert, will
es „kein Ehebuch herkömmlicher Art“ sein, sondern eine grundsätzliche Besinnung
auf Wesen und Weg ehelicher Gemeinschaft. Seinen Angelpunkt besitzt es in der
Betrachtung eines „Drei-Gefüges“, in dem das Einssein der Liebenden (Kap. 1) und ihre bleibende Zweiheit (Kap. 2) bedacht und trinitarisch mit Gott als „Drittem im
Bunde“ (Kap. 3) verknüpft werden:
„Personen
sind eins nicht im Nebeneinander und nicht im Gegenüber, sondern im Miteins,
sie sind eins, indem sie einig sind. Das aber sagt: einig in... [...]. Damit
ist das Dritte genannt [...]. Eins sind beide ja nur, indem sie wirklich auf das
Dritte zielen [...]. Doch ihr Grund-Ziel ist selbst Freiheitswirklichkeit, hat
personalen Charakter; das Dritte, auf das sie ausgerichtet sind, ist im vollen
Sinn der Dritte ihres Bundes“ (31).
Konkret im Hinblick auf Mann, Frau und Gott als die Bezugspunkte
des „Dreispiels“ formuliert:
„Nur mit Gott kann ich den anderen so lieben, wie ich
seinetwegen will, und nur mit Gott kann er mich so lieben, wie ich seinetwegen
wünschen sollte. Dann aber sollen auch wir zusammen Gott ‚aus ganzem Herzen‘ zu lieben
versuchen – Seinetwegen –, um in solchem Dank so eins zu werden, wie er
unsertwegen will“ (37).
Von dieser „Grundgestalt“
aus kommen im 2. Teil unterschiedliche „Lebensgestalten“
ehelicher Gemeinschaft exemplarisch in den Blick: der Unterschied der
Geschlechter, das Tragen der Last des anderen, der liebende Dienst, der
Gesellschaftsbezug der Ehe, das Verstehen in Wort und Schweigen, um schließlich
im 3. Teil die Dimensionen von Schmerz, Schuld und Tod eingeordnet zu sehen in
die „Hoffnung auf die Endgestalt“.
Der
Sammelband Der Mensch: Mann und Frau.
Perspektiven christlicher Philosophie (Frankfurt/M. 1980) bildet
demgegenüber ein gutes Kompendium der Überlegungen Spletts zur Thematik.
Hervorgegangen „aus konkreten Anforderungen der Erwachsenenbildung“ (25), bewährt
in Vorträgen „vor studentischen Hörern“ (ebd.)
und entstanden auf eine Anfrage der kirchlichen Arbeitsgruppe „Familie in
Kirche, Gesellschaft und Staat“ hin, wollen die Darlegungen unter dem o. g.
Anspruch, „prinzipielle Reflexion auf menschliche Grunderfahrungen“ (26) zu
sein, „Denk- und Entscheidungshilfen“ (25) anbieten. Dazu stellt das Buch in
vereinfachter Gestalt verschiedene Kapitel aus früheren Büchern nach vier
Schwerpunkten zusammen: (a) Freiheit und
Leiblichkeit (Kap. I)[54], (b) Geschlechtlichkeit (Kap. II)[55], (c) Ehe als Lebensform (Kap. III)[56] sowie (d) das Phänomen der Scham und seine Rehabilitierung als
Tugend (Kap. IV)[57]. Ergänzt wird der Band um ein
einleitendes „Werkstattgespräch mit dem Autor“ zum Themenkreis mit Vinzenz
Platz (vgl. 9-23).
Konzentriert
auf das Thema „Sexualität“ verdichtet mehr als fünfundzwanzig Jahre später die kleine Schrift Leibhaftig
lieben. Leiblichkeit, Geschlechtlichkeit und Würde der Person (Köln 2006,
3. Aufl. 2008) anthropologische Grundklärungen, Katholikentagsvoten und
konkrete Stellungnahmen zu einem Gesamtbild, das stärker im geistesgeschichtlichen
Kontext situiert ist: zwischen einer dualistischen Abwertung der
Geschlechtlichkeit einerseits und ihrer entmoralisierten Sicht im Zeichen von
Natur und Leben andererseits (Kap. I-II). Zielperspektive der Darlegungen ist
daher die humane Integration von Leiblichkeit und Geschlechtlichkeit unter dem
Gesichtspunkt der Personwürde, d. h. die „Ermöglichung von ‚Menschlichkeit‘“
(13). Als „Grund-Datum“ gilt:
„Geschlechtlichkeit soll nicht als
selbständige Wirklichkeit, sondern als eine Daseins-Weise von Person und
Freiheit aufgefasst werden, als unableitbare Gestalt des Da- und
Miteinanderseins von Menschen“ (17, Hervorhebung von mir).
Die elementaren Bestimmungen lauten dementsprechend:
„Leib ist die Weise, wie ich für die anderen als ihr Objekt da
bin: gesehen, gehört, berührt und beurteilt werden kann. Zugleich aber ist er
auch so mein Da-sein für, dass meinerseits ich auf die anderen einwirken kann.
Leib ist, ein wenig poetisch, das ‚Antlitz‘ des Ich. Ich bin
also nicht einfachhin mein Leib (oder jedenfalls ist mein Leib nicht ich); doch
ich habe ihn auch nicht bloß: er ist das Wie meines Seins mit anderen. Und
Geschlechtlichkeit ist daran die ausgezeichnete Weise, wie das ‚Ich‘ es mit einem
doppelten ‚Nicht-Ich‘
zu tun bekommt“ (18, Hervorhebungen im Original; vgl. Kap. III-IV).
Unter dem „Programm-Wort ‚Liebe‘“ (23, Kap. V)
werden von hier aus das Gerufensein als
Du (Kap. VI), das „Konzentrat“ (38) von Leiblichkeit in der menschlichen Geschlechtlichkeit (Kap.
VII), die damit gegebenen moralischen Dimensionen von Verantwortlichkeit (Kap. VIII) und Norm (Kap. IX), das Leben als Gabe
(Kap. X) und der Selbst-Überstieg (Kap.
XI) thematisiert – mündend in die Bestimmung von „Sexualität als Ruf zum
Aufbruch aus sich heraus zum Nicht-Ich, dem Du, zur Ekstase in Für- und
Mitsein“ (68, Kap. XII). Mit dem leitenden Gesichtspunkt der Selbstzwecklichkeit der Person (vgl. I.
Kant) ist es vor allem der ethische Ernst
des Themas, den der Band hervorhebt.[58]
Dem
Menschen als „Wesen des Wortes“ (15) ist der Sammelband Liebe zum Wort. Gedanke vor Symbolen (Frankfurt/M. 1985) gewidmet:
Denn in Wort und Sprache findet der Mensch als animal symbolicum[59]
seinen universalsten
Ausdruck. In Anlehnung an seine o .g. Bestimmung der Philosophie als „Liebe zum
Göttlichen“ kennzeichnet Splett seine Ausführungen daher als „philo-logische
Philosophie“: „das Wort, den Logos liebend“ (11). Im Ausgang von
„Voraussetzungen“ und „Fundamente[n]“[60] (12), die im 1. Teil den Menschen
als symbolisches Lebewesen vorstellen
(Kap. 1), den Ursprung der Sprache in Fest und Kult sichtbar machen (Kap. 2) und
das Verhältnis von Philosophie und
Dichtung erörtern (Kap. 3), widmet sich der 2. Teil exemplarisch der
Interpretation verschiedener Beispiele: Rilkes „Der Goldschmied“ mit seiner
poetischen Kunsttheorie (Kap. 4)[61], Novalis’
romantischer Dichterexistenz (Kap. 5), dem Wasser als dichterischem und
philosophischem Leitmotiv (Kap. 6) sowie generell dem Bücherwesen (Kap. 7). Die
„Bilanz“ des 3. Teils schließlich thematisiert das Schöne (Kap. 8) sowie die reflektierende Erfahrung von Schmerz und Freude – unter besonderer Bezugnahme auf C. S. Lewis. – Indem das Buch die poetischen
und ästhetischen Grundvollzüge des Menschen in den Mittelpunkt stellt, markiert
es merklich einen Kontrapunkt zur moralischen Wahrnehmung seines Tätigseins,
die ansonsten im Gesamtwerk dominiert.
In
ähnlicher Weise erscheint schließlich im Buch Spiel-Ernst. Anstöße christlicher
Philosophie (Frankfurt/M. 1993) das Spiel als origineller Rahmen der gedanklichen Exposition – nicht
zuletzt angeregt durch die „Ästhetisierung des Lebens, einschließlich der Ethik
und Religion“, wie sie die „Signatur des Zeitgeistes“ (9) der 1990er Jahre
bestimmte. Splett reagiert darauf mit dem Hinweis auf die schöpferische Gestalt
des Spielens: „Spielen besagt den einsamen oder gemeinsamen Aufbau einer
Spiel-Gestalt“, einer „Welt für sich“, die „zweckfrei [...], überfunktional und
selbstgesetzlich sinnvoll ist“ (12 f.):
„Ist
aber Spiel ein Schöpfungsakt und der spielende Mensch ein Homo creator, dann zeigt sich das Spiel in besonderer Weise als
Erscheinung = Selbstoffenbarung von Freiheit [...]. Mit dem Freiheitsbegriff
nun sind wir in den Kernbereich des Spiel-Ernstes gelangt“ (12 f.).
„Ganz
Mensch also ist der Mensch im Spiel, weil er sich darin als Freiheitswesen
‚realisiert‘ (= erfährt wie verwirklicht) und sich als solches bezeugt“ (13).
Unter dem Vorzeichen der symbolischen Welt des
Spiels kommen die zentralen Regeln des Spiels des Lebens (Selbst-Annahme, Kap. 1; sittliche
Verpflichtung, Kap. 2), seine existentiellen Bedingungen (Tod, Kap. 3; Schwäche und Schmerz,
Kap. 4) sowie die Dimensionen von Fest,
Lobpreis und Anbetung als sein Gipfel (Kap. 5) zur Sprache – um das Spielen zuletzt
als Einübung ins Loslassen und Gelassensein zu erweisen:
„Wie ist Freiheit zu denken, wenn ihr der Lebens-Ernst ein
Spiel sein soll und das Lebens-Spiel ernst? Sie muss loslassen können, anderes
und sich, will sie frei sein. Vielleicht aber ist sie zuletzt nur darum
Freiheit, um (sich) zu lassen?“ (21)
2.3. Der Anspruch durch die Wahrheit, unter den menschliche Freiheit sich gestellt sieht, und
damit den besonderen „Notenschlüssel“ der Splettschen Anthropo-Theologie thematisiert
in der dritten Gruppe von Schriften der Band Denken vor Gott. Philosophie als Wahrheits-Liebe (Frankfurt/M.
1996):
„Das
Organ der Wahrheitserkenntnis aber sei letztlich nicht irgendein Vermögen,
sondern der Mensch selbst, in seinem vom Gewissen bestimmten Person-Kern“ (11).
Das Buch will diesem Anspruch mit dem jesuitischen
Grundmotiv, „zur Ehre Gottes geschrieben“ zu sein, antworten. Als Plädoyer,
„von und über Gott zu sprechen“ und insofern als „Plädoyer für ‚Philosophie als Gottesdienst‘“ (Hegel) thematisiert
der 1. Teil Religion (Kap. 1), christliche Philosophie (Kap. 2) und Sittlichkeit (Kap. 3) als hermeneutische
Signaturen solchen Denkens. Der 2. Teil lässt exemplarisch „Freunde der
Wahrheit“ zu Wort kommen, die zugleich „Zeugen“ für den Lebens-Einsatz für sie
und „Liebhaber des Verstehens (philósophoi)“ (13) sind: Sokrates (Kap. 4),
Dante (Kap. 5), John Henry Newman (Kap. 6), Hans Urs von Balthasar (Kap. 7),
Karl Rahner (Kap. 8). Er verortet damit nicht
nur in verschiedenen Hinsichten die Grundmotive Spletts in der philosophischen
und theologischen Tradition von der Antike bis zur Gegenwart, sondern zeigt ihn
zugleich in seiner besonderen Fähigkeit, als Interpret philosophische und
theologische Positionen präzise auf den Punkt zu bringen und luzide zu
rekonstruieren.[62] Der 3. Teil
schließlich stellt in Umkehrung der menschlichen Liebe zur Wahrheit diese
selbst in ihrer „Zuvor-kommenheit“ vor:
„als
Licht uns zugeteilt und zugewendet, so aber selbst uns auf- und einleuchtend,
uns zugewandt“ (13).
Daher ist die spezifische (Selbst-)Zuwendung der
Wahrheit, die Mitteilung ihrer selbst Thema von Überlegungen zur Menschlichkeit Gottes (Kap. 9, mit einem
Exkurs über die christliche Botschaft in der modernen Kunst), zur Schöpfungswirklichkeit angesichts von Leid und Schuld (Kap. 10)
und schließlich zum Begriff der Gnade
(Kap. 11) – also zu spezifisch theologischen Themen, die eine philosophische
Auslegung erfahren.
Dem
Thema Wahrheit als Konvergenzpunkt von Philosophie
und Theologie und damit als
konstitutives Element für Spletts Verständnis christlicher Philosophie ist der kleine Band Hölzernes Eisen – Stachel im Fleisch? Christliches Philosophieren (Münster
2001) gewidmet. Als elementar für dieses Verständnis benennt er ihren methodisch-kritischen Charakter, sowie ihr prinzipielles Anliegen, das sie in
den Rang der Wissenschaftlichkeit stellt[63] und in ihrem Anspruch auf
Wahrheit und Sinn zeigt.[64] So definiert er – in Kontinuität
zu der in Die Rede vom Heiligen
getroffenen Bestimmung –
„Philosophie
als methodisch-kritische prinzipielle Reflexion auf Grunderfahrungen“ (9).
In ihrer Abgrenzung gegenüber christlicher Weltanschauung wie Theologie,
zu der er sie in einem Dienstverhältnis sieht, ermittelt Splett ihre Bestimmung
als[65]:
„Ein
Philosophieren, zu dessen Präsuppositionen das Christentum zählt, in dem das
Christentum zwar keine Begründungen liefert, doch ein Entdeckungsfeld für
Fragen und Probleme bildet“ (29).[66]
Das Leitmotiv Martin Heideggers weiterführend, das
dem Band den Titel gibt, erinnert er zu ihrer Charakterisierung an das von
Christus gebrachte „Schwert der Scheidung“ (Mt
10,34):
„Der
Ort dieses Schwertes aber ist das Gewissen (in der Schrift, die das Wort nicht
kennt, ‚Herz‘ und ‚Nieren‘ genannt – z. B. 1 Sam 16,7; Ps 26,2). Gewissen
aber sollte auch das Herz eines Philosophierens sein, dem es über ‚Wissenschaft‘
wie ‚Kunst‘ hinaus um ‚Religion‘ geht – oder vielmehr um die Wahrheit jener
Wirklichkeit, um die es nochmals in der Religion zu tun ist wie in deren Weisheit:
das sophon – das heilige Geheimnis Gottes“ (40 f.)
Die besondere Bedeutung der Wahrheitsthematik im Rahmen des Projekts „Anthropo-Theologie“ stellt
schließlich – als dessen explizite „Fortsetzung“ (7) – der zuletzt erschienene
Sammelband Person und Glaube. Der
Wahrheit gewürdigt (München 2009) heraus. Die Wahrheit bildet dabei das
Bindeglied zwischen den beiden im Titel genannten Themen: „Person“ als
Inbegriff der Rede von Gott wie vom Menschen und „Glaube“, der nach der o. g. These
für „alle Erfahrung“ (7) maßgeblich ist.
„Personen,
die einander begegnen, stellen einen doppelten Wahrheitsanspruch aneinander.
Einmal beanspruchen sie Wahrheit für das eigene Reden und Tun. Schon ein
Zweifel daran mag irritieren, erst recht die Behauptung, man befinde sich im
Irrtum, vollends der Vorwurf, man täusche. Und darin zeigt sich der zweite
Anspruch, der Anspruch an das Gegenüber, sich wahrheitsgemäß zu verhalten.
Beide indes werden nicht schlicht im eigenen Namen erhoben. Indem jemand
Wahrheit für das eigene Reden und Tun beansprucht und vom Gegenüber
Wahrheitsgemäßheit verlangt, beruft er sich auf einen Wahrheitsanspruch, der
nicht von ihnen beiden ausgeht, [...] sondern der umgekehrt sie trifft. Beide beanspruchen
vielmehr, ‚der Wahrheit die Ehre zu geben‘, die sie beide beansprucht“ (ebd.).[67]
Der
Akzent der Überlegungen, die zunächst von der Strukturformel der Person als „Du-ich-Du“ (Kap. I) über die
Freiheit und das Böse (Kap. II) zum Gottesbeweis aus der Erfahrung der Ergriffenheit führen (Kap. III), liegt
dabei auf dem Gesichtspunkt der Vermittlung
von Mensch und Gott: in der Erörterung der Gottes-Bildlichkeit der Schöpfung (Kap. IV), des Erscheinens und
Daseins Gottes in Person in Jesus
Christus (Kap. V), einer von daher begründeten Anthropozentrik (Kap. VI) sowie schließlich der Berufung des Menschen
„zum Mittler innerweltlicher Dimensionen wie zwischen Gott und Welt: zur Priesterlichkeit für die Welt und
insbesondere für seinesgleichen“ (13 f., Kap. VII). – In neuer Deutlichkeit
tritt damit gerade die Christologie
als Konvergenz- und Angelpunkt des Projekts „Anthropo-Theologie“ hervor –
findet die Rede von Gott und die Rede vom Menschen ihren zentralen
Bezugspunkt in dem, der von sich selbst bezeugt: „Ich bin die Wahrheit“ (Joh 14,6).
5. Konkretionen: Beiträge
zur angewandten Ethik und Rezensionen
Der
ethische Grundimpuls des Denkens Jörg
Spletts und das Eintreten für die menschliche Person und ihre Würde haben über allgemeine
Erörterungen hinaus in besonderer Weise Antworten und Stellungnahmen im Feld
der angewandten Ethik veranlasst – und zwar gerade in jenem Bereich, in dem die
Würde des Menschen in der Gegenwart zunehmend weniger unangetastet erscheint: am
Anfang und am Ende seines Lebens. Vor allem durch die Arbeit im Beirat der Zeitschrift für medizinische Ethik (vormals:
Arzt und Christ) sind Positionsbestimmungen
in Fragen von Abtreibung, Embryonenforschung, Suizid und Sterbehilfe, Hirntod
oder Organspende entstanden.[68] Neben
grundsätzlichen Erwägungen – etwa zu den Themen Menschenwürde[69], Sterblichkeit[70] oder auch
zu einer „Kunst des Krankseins“ (ars
aegrotandi)[71] – hat Splett immer wieder auch konkrete Fallbeispiele
erörtert[72] und nicht
nur den Mut zum kompromisslosen Argument, sondern auch die Fähigkeit
differenzierender Begutachtung und prinzipienfesten Urteils gezeigt.
Als
Konkretion des „Antwort“-Charakters von Spletts
Denken ist darüber hinaus aber auch seine Tätigkeit als Rezensent, v. a. für
die an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen erscheinende
Zeitschrift Theologie und Philosophie, zu
nennen, „ein Stück weit [...] Pflichterfüllung“, sodann „Starthilfe für junge
Kollegen“, schließlich Engagement in einer wissenschaftlichen Debattenkultur,
die in Deutschland weniger lebendig ist als etwa im Angelsächsischen:
„Überhaupt
[...] verstehe ich Rezensionen als Antworten auf in die Welt gesandte Briefe.
Ich möchte den Verfasser darin respektieren, dass ich ihn beim Wort nehme und
mit ihm seine Thesen diskutiere. Ich freue mich, mitunter von Seiten
Rezensierter zu hören, sie seien erstaunt, ihre Sache auf knappem Raum so auf
den Punkt gebracht zu sehen.“[73]
Eine
besondere Art von „Antworten“ Jörg Spletts stellen schließlich seine betrachtenden
Texte dar, gesammelt in dem frühen Bändchen Er
ist das Ja (München 1964) und dem Buch Zeugnis
der Freude (Würzburg 1967, 2. überarbeitete Auflage: Wagnis der Freude. Meditationen zu Worten der Schrift und Zeichen der
Kunst, Frankfurt/M. 1975, 3. Aufl. 1984, mit einem Vorwort Karl Rahners).
U. a. sind sie als Betrachtungstexte eingegangen das Schott-Messbuch.[74] Im Vorwort des zweitgenannten,
seinen Eltern gewidmeten Bandes stellt Splett seine „Besinnungen“ ausdrücklich
in den Zusammenhang mit der eingangs genannten Rede im Modus des Zeugnisses:
„Das unbegreifliche
Geheimnis [...] lässt sich nicht mehr erklären, sondern nur erfahren und bezeugen“
(9).
Seinen Impuls findet dieses Zeugnis (a) in Worten
der Heiligen Schrift, (b) in der Begegnung mit Werken der Kunst und (c) im
lebendigen Menschenantlitz. Es ist „Antwort“ auf die Freude „in den kleinen
Augenblicke irdischer Erfüllung wie in der unbegreifbar schwebenden Seligkeit
im Schmerz“ (12).
„In
solchem Licht, das am nüchternen und unerbittlichen Geschehen unseres Alltags
eigentlich gar nichts verändert und ihn doch völlig verwandelt, blitzt der Sieg
auf, der die Welt überwindet (1 Joh
5,4): als das lauterste Zeugnis für den Sieger über Tod und Sünde, den
auferstandenen Herrn“ (12).
Als Zeugnis der Freude
und der Hoffnung fassen die Betrachtungen
Spletts jene Grundhaltungen zusammen, in die seine philosophische Lehre vom
Menschsein mündet. In ihrer persönlichen Färbung spiegeln sie zugleich etwas
vom persönlichen Getroffenwerden des Menschen Jörg Splett wider, um „durch die
Worte verstummend auf ihr Leuchten zu weisen“ (14). In dieser Weise zeigen gerade seine Betrachtungen Jörg
Splett – in seiner Rede vom Menschen wie von Gott im Dienst der Wahrheit – als „treuen
Zeugen“, als „Zeugen der Hoffnung“ und „Zeugen vom Licht“.
[1] Vgl. J. Splett/H.-G. Nissing, „‚Es ist bei Ihm aufgehoben‘. Der Philosoph Jörg Splett – Ein dialogisches Porträt“, in: H.-G. Nissing (Hg.), Der Mensch als Weg zu Gott. Das Projekt „Anthropo-Theologie“ von Jörg Splett, München 2007, 109-135, hier: 122; 124 f. – Im Anliegen, „Auskunft und Antwort auf grundsätzliche Zeitfragen“ (ebd., 124) zu geben, sieht sich Splett dabei in größerer Nähe zu seinem Lehrer Karl Rahner als zu Hans Urs von Balthasar, dem er sich andererseits durch eine größere inhaltliche Nähe verbunden fühlt.
[2] Ebd., 129. – Zur Charakterisierung des Stils Spletts vgl. H. Zaborowski, „Der Erfahrung Gottes nachdenken. Aufgabe und Anspruch von Jörg Spletts Anthropo-Theologie“, in diesem Band, S. 46-66, bes. 50-54.
[3] Vgl. J. Splett, „Hinschauen werden sie auf Ihn, den sie durchbohrt haben“, in: An hl. Quellen 34 (1958), 121-122.
[4] Vgl. http://www.sankt-georgen.de/lehrende/splett-bibl-V-bis-VI.html. – Gedruckte Bibliographien finden sich in J. Schmidt/M. u. T. Splett/P.-O. Ullrich (Hg.), Mitdenken über Gott und den Menschen. Dialogische Festschrift für Jörg Splett (= Schriftenreihe der Josef-Pieper-Stiftung, 2), Münster 2001, 262-300 („Verzeichnis der Veröffentlichungen von Jörg Splett [1958-2000]“) sowie T. Schumacher (Hg.), Ant-Wort. Jörg Splett zum 70. Geburtstag (= Wortmeldungen, 6), München 2006, 191-206 („Veröffentlichungen von Jörg Splett seit dem Jahre 2001 [bis 2006]“).
[5] J.
Splett/H.-G. Nissing, „‚Es ist bei Ihm aufgehoben‘. Der Philosoph Jörg Splett – Ein dialogisches
Porträt“ (Anm. 1), 121; 116.
[6] J. Splett, „Anthropo-theologie. Zum Verhältnis zweier philosophischer Grunddisziplinen“, in: Theologie und Philosophie 48 (1973), 351-370. – Eingegangen als 6. Kapitel in: ders., Konturen der Freiheit. Zum christlichen Sprechen von Gott, Frankfurt/M. 1974, 154-179. Wiederabdruck in: T. Schumacher (Hg.), Denken im Glauben, München 2003, 23-47. – Entsprechend heißt es in der Abschiedsvorlesung (vgl. Anm. 8): „Man denkt und spricht von Gott nicht recht, wenn man vom Menschen schweigt, an dem Ihm liegt; und andererseits vom Menschen nicht recht, wenn man ihn nicht vor Gott sieht“ (321). – Zur Herkunft dieses Motivs bei R. Guardini in dessen Rede zu Beginn des Berliner Katholikentages 1952 vgl. ders., Religiöse Erfahrung und Glaube, 2. Aufl. Mainz 1979.
[7] Vgl. hierzu auch – trotz aller Lebendigkeit und denkerischen Beweglichkeit des Schreibstils – die systematische Anlage der eigenen Argumentation in Definition und (syllogistischer) Formalisierung, vor allem jedoch in der Exposition des eigenen Denkens als „christliche Philosophie“, die begründend argumentiert und kritisch reflektiert. – Vgl. dazu unten 41 f.
[8] Vgl. J. Splett, „Im Dienst an der Wahrheit“, zuerst in: Theologie und Philosophie 80 (2005), 321-333, hier: 321 (selbständig: Köln 2005, 2. Aufl. 2009). – In diesen Kontext gehört auch die Selbstauskunft: „‚Zeugnis vom Licht‘. Philosophie als Wahrheits-Dienst“, in: H.-G. Nissing (Hg.), Der Mensch als Weg zu Gott (Anm. 1), 11-32.
[9] Ebd., 333: „Nur wer sich entrissen wird, ist wirklich hingerissen.“
[10] Präzisierungen bringen ferner die Antworten auf die Beiträge der Festschriften: vgl. J. Splett, „Menschsein vor Gott“, in: J. Schmidt/M. u. T. Splett/P.-O. Ullrich (Hg.), Mitdenken über Gott und den Menschen. Dialogische Festschrift Für Jörg Splett, Münster 2001, 207-225; ders., „Theo-Anthropologie. Ein Antwortversuch“, in: H.-L. Ollig (Hg.), Theo-Anthropologie. Jörg Splett zu Ehren, Würzburg 2006, 105-113.
[11] Zur Wertsschätzung dieses seit Sokrates für echte Philosophie charakteristischen Ideals vgl. J. Splett/H.-G. Nissing, „‚Es ist bei Ihm aufgehoben“ (Anm. 1), 128: „Persönlich halte ich dieses Engagement auch für wichtiger als inner-wissenschaftliche Arbeit. Ich schreibe eigentlich nicht für die Kollegen. Auch Kontroversen mit ihnen führe ich im Blick auf die Menschen, für die wir diese Arbeit tun.“
[12] Besondere Bedeutung kommt dabei meist den ersten Kapiteln zu, die in ihrer mehrfach selbstkritisch vermerkten Abstraktheit „Grundlegungen“ liefern, „Prinzipien“ benennen oder allgemeine Zugänge schaffen wollen. – Nicht zuletzt dieses systematische Anliegen rechtfertigt den folgenden Versuch einer Systematisierung des Schrifttums Spletts.
[13] Ebd., 129: „Ich würde gern eine Entwicklung sehen fort von einer unnötigen sprachlichen Kompliziertheit mit Klammern usw. (einer ‚Rahnerei‘), wie etwa in Konturen der Freiheit (1974), hin zu einer größeren Klarheit und Entschiedenheit, die auch deutlicher auf die zentralen Fragen gerichtet ist.“
[14] In solchem Sinne enthalten die Einleitungen verschiedener Sammelbände ebenfalls Charakterisierungen und summarische Kennzeichnungen der eigenen Werke, die erste Verbindungslinien aufzuzeigen. Sie seien im Folgenden aufgenommen und in einen umfassenden Zusammenhang gestellt.
[15] Ebd., 124.
[16] Ebd., 120.
[17] Vgl. etwa Freiheits-Erfahrung (1986) oder Denken vor Gott (1996). – Summarisch das Urteil im Schlussabschnitt der Dissertation: „‚Solch eine Philosophie besitzt die wunderbare Fähigkeit, auch da zu erschließen, wo sie selbst nicht richtig sieht‘“ (Iljin).
[18] Vgl. zusammenfassend ebd., 125: „Statt in (der Suche nach) Sinn und Heil, also zuletzt in uns, wie heute zumeist in Religionsphilosophie wie -theologie vertreten, sehe ich die Sinnspitze von Religion in der Anbetung des Heiligen, im Lobpreis seiner, im ‚Dank ob Seiner Herrlichkeit‘“.
[19] Die Grunderfahrung enthält dabei von vorneherein eine praktisch-voluntative Dimension: „Grunderfahrung als solche von Freiheit ist immer schon – in Differenz-Identität – Grundentscheidung. Und beides gibt es in concreto nur konkret“ (19).
[20] Vgl. dazu weiter unten S. 41 f.
[21] Zum Beweischarakter vgl. ebd., 51: „Beweis aber ist nicht bloß eine logisch erzwingbare Schlussfolgerung. Das lateinische Grundwort ‚demonstrare‘ jedenfalls bedeutet: hinweisen, zeigen sichtbar machen. [...] ‚Beweis‘ meint hier jedenfalls den methodisch-kritisch argumentierenden Versuch, den anderen sehen zu lassen, was sich dem eigenen Hinblick gezeigt hat.“
[22] „Transzendental heißt dieser Beweis, insofern er die Möglichkeitsbedingungen des menschlichen Grundvollzugs erfragt“ (51). – Der Transzendentalthomismus ist eine Schule der Thomas-Interpretation, die im 20. Jahrhundert in Anlehnung an die Erkenntnistheorie Kants und die Existenzphilosophie Heideggers das Projekt verfolgte, die menschliche Dynamik zum transzendentalen Absoluten im Rahmen der Erkenntnistheorie zu explizieren.
[23] Vgl. J. Splett, „Es gibt die Wahrheit! Profilierungen eines philosophisch-theologischen Grundbegriffs“, in: H.-G. Nissing (Hg.), Was ist Wahrheit. Zur Kontroverse um die Diktatur des Relativismus, München 2011, 35-55, hier: 48. – Zum wichtigen Unterschied von Sollen und Müssen vgl. Gotteserfahrung im Denken, 72: „[W]as sagt es über uns, dass Gut-sein und ‚Der-Wahrheit-die-Ehre-geben‘ uns als etwas begegnet, das wir sollen? – Sollen müssen, weil wir diese Selbstverständlichkeit nicht von selbst tun. Gleichwohl ist der Anruf nicht bloßes Soll (von einem Muss = Nicht-anders-können zu schweigen). Dass uns, obwohl nicht gut, zugemutet wird, es zu werden, ist etwas, was wir dürfen.“
[24] J. Splett/H.-G. Nissing, „‚Es ist bei Ihm aufgehoben“ (Anm. 1), 131: „Ganz neu war das nicht [...]. Doch eine Umakzentuierung war es doch. Ich war so hingerissen, als ich diesen Autor – Levinas – kennen lernte. Ich meinte, so etwas würde ich schon denken. Doch Levinas dachte es in einer Deutlichkeit und Schärfe, die ich unglaublich fand.“
[25] Die „Grundgestalt des klassischen Kontingenzbeweises [...] wird hier verstanden als kritisch-rationale Reflexion auf eine Welterfahrung, die sich als religiös versteht und behauptet“ (J. Splett, Gotteserfahrung im Denken, 80).
[26] Vgl. ebd., 117: Schöpfung heißt „Sein von Gott her, in ihm und auf ihn hin“. – Die entscheidenden Begriffe ihrer Erschließung sind „Bild (Erscheinung)“, „Sinn-Ziel“ sowie die von Nikolaus von Kues stammende Bezeichnung „Deus datus“.
[27] Vgl. ebd.: „So tritt dem Grundwort ‚Partizipation‘, das vor allem die Immanenz Gottes akzentuiert, der Begriff ‚Analogie‘ zur Seite, um in der Immanenz die sie ermöglichende Transzendenz bewusst zu halten.“
[28] Vgl. ebd.,
131: „Gottes Geben,
insofern es Freiheit mit Freiheit begabt, gibt sich nicht bloß als
Gegebenwerden, sondern zugleich und eigentlich als (An-)Genommenwerden. Die
Gabe als Wirklichkeit und ‚Gestalt‘ des (Sich-)Gebens ist dies als Gestalt der Annahme
dieses Gebens.“
[29] Drei Exkurse zu den Kapiteln 5 („Von Gott reden nach Kant“), 6 („Gott im Reden von Ihm“) und 7 („‚Deus datus‘“) profilieren die Rede von Gott.
[30] J. Splett, Die Rede vom Heiligen, 9, Anm. 1.
[31] Ders., Leben als Mit-Sein. Vom trinitarisch Menschlichen, 17.
[32] Ebd., 10.
[33] Vgl. den Umschlagtext des Buches sowie ebd., 13-26.
[34] Vgl. J. Splett/H.-G. Nissing, „‚Es ist bei Ihm aufgehoben‘“ (Anm. 1), 124.
[35] Vgl. J. Splett, Die Rede vom Heiligen, 9, Anm. 1.
[36] Vgl. wortgleich J. Splett, Sakrament der Wirklichkeit, 39 f.
[37] Vgl. dementsprechend die Überschriften: „1. Gerufene Freiheit: Anspruch der Wahrheit“, „2. Leibhaftige Freiheit: Be-denklichkeit des Symbols“, „3. Gemeinsame Freiheit: Dialektik der Autorität“, „4. Unfreie Freiheit: Schuld“, „5. Sterbliche Freiheit: End-gültigkeit“.
[38] Der Anknüpfungspunkt in den Überlegungen Richards findet sich unten zitiert in: J. Splett, „Gedenken. Erbe und Anstöße“, 143, ebenso die „Strukturformel“, auf die Splett den Gedanken wiederholt gebracht hat; vgl. ders., Freiheits-Erfahrung, 315; Meditation der Gemeinsamkeit, 34.
[39] Vgl. ebd. in Zitation K. Landgerbers: „‚Sachlichkeit wird Frömmigkeit.‘ ‚Alles Profane ist heilig.‘ [...] ‚Das Sakrale als heiliger Bereich ist überflüssig geworden.‘“
[40] Vgl. ebd., 16 f.: „Symbol [...] [ist] nicht als Bezug von Sinn (Bedeutung) und Sache zu bestimmen, sondern als Bezug von Sinn zu Sinn. Es selbst ist nicht zuerst Ding oder Sache, sondern Vollzug [...]. Wir haben demnach zwei Sinn- (und Bedeutungs-)Dimensionen des Symbols gewonnen – und eine doppelte Zweideutigkeit: jene von sinnlichem Zeichen und geistig-kategorialer Bedeutung und jene von geistig-kategorialem Sinn und transzendentaler Bedeutung.“ – Vgl. ders., Die Rede vom Heiligen, 307-316.
[41] „Der ursprüngliche Sinn des Wortes ist nicht – wie wohl die meisten denken – Rätsel oder Problem. Die Vorsilbe ‚Ge’ steht für Sammlung – so bedeutet ‚Gebirge‘ eine Ansammlung von Bergen, ‚Getier‘ eine solche von Tieren. Die Nachsilbe ‚nis‘ zeigt einen Zustand oder Sachverhalt an, ein Sein – beispielsweise: ‚Wildnis‘, ‚Finsternis‘. Die Grundbedeutung von ‚Geheimnis‘ ist demnach: Gesammelt-Daheim-sein.“
[42] Es ist online abrufbar im virtuellen Leseraum der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen SJ: http://www.sankt-georgen.de/leseraum/splett3.html.
[43] J. Splett, Konturen der Freiheit, 37.
[44] Ders., Liebe zum Wort. Gedanken vor Symbolen, 18.
[45] Ders., Spiel-Ernst. Anstöße christlicher Philosophie, 15.
[46] Vgl. ebd., 17: „Es geht in diesem Gesprächsbeitrag [...] darum, an der früher konturierten Lebens-Gestalt menschlicher Freiheit sozusagen konvergierende ‚Schwerlinien‘ sichtbar zu machen – als Vorklärung zu weiteren Erörterungen über Halt und Gleichgewicht derart gewagter Existenz.“
[47] Vgl. ebd., 11: „Anders gesagt, geht es um einen philosophischen Beitrag zur gegenwärtigen Erörterung der Frage einer spezifisch christlichen Moral und Ethik.“
[48] „Menschliches,
mitmenschliches Leben lässt sich allein aus dem biblischen Glauben rechtfertigen“
(25, Hervorhebung im Original).
[49] Vgl. ebd., 53: „[D]ie Fehlformen des Rationalismus wie des Hedonismus, einer Handlungslehre aus dem Lust-Prinzip, knüpfen hier an.“
[50] Im biblischen Sprachgebrauch bezeichnet die durch das Wort „Gewissen“ benannte Personmitte der Ausdruck „Herz“: Es ist „jene Mitte des Menschen [...], in der es ihm zuletzt nicht um sich selbst geht“ (ebd., 86, mit Hinweis auf Blaise Pascal).
[51] In Anspielung auf die von Splett immer wieder gern zitierte Schrift R. Guardinis, Die Annahme seiner selbst, Würzburg 1952.
[52] Vgl. ebd., 55: „In lexikalischer Knappheit und Dichte, unabgelenkt durch Querbezüge und Dispute, soll die Grundthese dargelegt werden.“
[53] Vgl. R. Lauth, Ethik in ihrer Grundlage aus Prinzipien entfaltet, Stuttgart – Berlin 1969, 31: „Die spezifische Evidenz der Wertsetzung und -habe kann man mit einem besonderen Namen bezeichnen; und eine solche Benennung empfiehlt sich, um sie von theoretischer Evidenz abzuheben. Ich habe dafür [...] den Terminus Sazienz (von sacire, ergreifen) eingeführt. Werte ergreifen; unser Geist wird von ihnen ergriffen.“
[54] Vgl. J. Splett, Konturen der Freiheit, 37-59.
[55] Vgl. ders., Der Mensch ist Person, 110-137.
[56] Vgl. ebd., 138-156.
[57] Vgl. ders., Lernziel Menschlichkeit, 61-80.
[58] Dies verbindet die Ausführungen mit dem Ansatz „Theologie des Leibes“ von Papst Johannes Paul II., der wiederholt zitiert wird: vgl. v. a. K. Wojtyła, Liebe und Verantwortung. Eine ethische Studie, München 1979.
[59] Vgl. E. Cassirer, Was ist der Mensch?, Stuttgart 1960, 40.
[60] Vgl. J. Splett, Liebe zum Wort, 12: „Der Aufbau des Buchs gemahnt so an den klassischen Syllogismus: auf den grundlegenden Obersatz (die ‚maior‘) folgt der konkrete Einzelbezug (in der ‚minor‘), und aus beidem ergibt sich die Folgerung (‚conclusio‘).“
[61] Vgl. J. Splett/H.-G. Nissing, „‚Es ist bei Ihm aufgehoben‘“ (Anm. 1), 115: „Was die Literatur betrifft, so ist Rilke der Dichter meiner Jugend gewesen.“
[62] Vgl. hierzu auch die Herausgeberschaften von: „Entweder/Oder“. Herausgefordert durch Kierkegaard, Frankfurt/M. 1988 (zs. mit H. Frohnhofen); Höllenkreise – Himmelsrose. Dimensionen der Welt bei Dante, Idstein 1994.
[63] Vgl. ebd., 9: „Wissenschaft ist ja nicht das Bemühen, eine Methode auf alle Bereiche der Forschung zu übertragen, sondern der kritische (das heißt: unterscheidende) Wille, jeden Gegen-stand in der ihm angemessenen Weise zu betrachten und zu befragen.“
[64] Vgl. ebd., 10: „Und prinzipiell heißt [...]: Sie begnügt sich nicht mit Wahrnehmung, Beschreibung, Klassifikation, sondern fragt nach Wahrheit und Sinn des Erfahrenen wie des Erfahrens seiner.“
[65] Zum umstrittenen Begriff der christlichen Philosophie und seiner Geschichte vgl. ebd., 26 ff.
[66] Vgl. ebd., 28: „Ich würde ‚Weltanschauung‘ eher als eine Art ursprüngliche Auslegung (Interpretation)
von Welt verstehen wollen, [...] gekennzeichnet durch eine gewisse Ursprünglichkeit,
die sie vom wissenschaftlich ausgeformten Weltbild
wie von der prüfend-fragenden Reflexion der Philosophie
ebenso unterschiede wie von einer explizit theologischen Beschäftigung mit
Gegenwartfragen.“ – „Für die Theologie als Glaubenswissenschaft liefert die Offenbarungsbotschaft
die Prämissen ihrer Arbeit und den Boden
ihres Begründens“ (ebd.).
[67] Im Gegenüber zur „monologischen“ Exposition des Gedankens im Ausgang vom Urteil bzw. von der Behauptung (vgl. oben, S. 27) macht dieser Text noch einmal sehr schön die im Laufe der Zeit stärker gewordene Akzentuierung des „Dialogischen“ sichtbar.
[68] Vgl. exemplarisch ders., „Wann beginnt der Mensch – und welche Pflichten haben wir ihm gegenüber?“, in: Familienbund deutscher Katholiken (Hg.), Kinder aus der Retorte? Fortpflanzungsmedizin beim Menschen, Bonn 1989, 35-55; „Abschied von Ungeborenen. Erinnerung an einen Vorschlag“, in: Zeitschrift für medizinische Ethik 57 (2011), 225-229; „Tötungsverbot und Sterbehilfe. Stellungnahme aus Sicht christlicher Philosophie“, in: S. E. Müller/R. Beckmann (Hg.), Menschenwürdig sterben – aber wie?, Münster 2010, 89-114; „Hirntod?“, in: Bischöfliches Generalvikariat (Hg.), Hirntod und Organtransplantation – ein spannungsfreies Verhältnis?, Osnabrück 2010, 23-30.
[69] Vgl. z. B. ders., „Der Mensch als Person. Würde und Verantwortlichkeit als Grundbestimmungen abendländischen Selbstverständnisses“, in: Zeitschrift für medizinische Ethik 45 (1999), 326-328.
[70] Vgl. ders., „Kein Mensch kann Leben bilanzieren“, in: Neue Caritas 110 (2009), 11.17-19.
[71] Vgl. ders., „Ars aegrotandi“, in: Zeitschrift für medizinische Ethik 53 (2007), 145-151.
[72] Vgl. ders., „Ethische Stellungnahme (zum Fallbericht: Empfängnis eines Kindes zum Zweck der Knochenmarkspende)“, in: Arzt und Christ 36 (1990), 190-192; „Philosophischer Kommentar zum Fallbericht (Zwangsbehandlung bei Uneinsichtigkeit?)“, in: Zeitschrift für medizinische Ethik 40 (1994), 329-330; „Philosophische Gedanken zum Fallbericht (von einer Schwangerschafts-Begleitung unter Hirnversagen)“, in: ebd., 43 (1997), 69-75.
[73] J. Splett/H.-G. Nissing, „‚Es ist bei Ihm aufgehoben‘“ (Anm. 1), 129.
[74] Vgl. ders., „Verbirg dein Angesicht nicht vor mir“, „Bejahte Endlichkeit ...“, in: Schott-Messbuch für die Wochentage. Teil I; Advent bis 13. Woche im Jahreskreis, Freiburg/Br. – Basel – Wien 1984, 638 f., 655.