Hanns-Gregor Nissing

„Anthropo-Theologie“ im Dienst der Wahrheit.
Ein Überblick über das Schrifttum Jörg Spletts

1. Erste Zugänge: Ein Gespräch, die Antritts- und die Abschiedsvorlesung.

2. Voraussetzungen: Wissenschaftliche Qualifikationsarbeiten.

3. Grundlegungen: Hauptwerke und programmatische Schriften.

4. Entfaltungen: Sammelbände.

5. Konkretionen: Beiträge zur angewandten Ethik und Rezensionen.

6. Zeugnis: Betrachtungen.

 

Antwort zu geben und sich Anfragen zu stellen, nicht hingegen ein eigenes Werk zu schaffen und in systematischer Weise auszuarbeiten – dies war und ist der Grundimpuls, der das philosophische Schaffen Jörg Spletts bestimmt und seinen Schriften ihre besondere Gestalt verliehen hat.[1]

Vom Bewusstsein geleitet, „gern und mit Freude zu schreiben“[2], ist gleichwohl seit dem ersten gedruckten Beitrag vor mehr als einem halben Jahrhundert (der Betrachtung eines barocken Kruzifixes[3]) ein immenses philosophisches Oeuvre gewachsen: 30 Bücher, 781 Artikel, Aufsätze und Beiträge sowie 500 Rezensionen verzeichnete die beständig erweiterte Bibliographie am Ende des Jahres 2012.[4] Angesichts der Vielfalt der Publikationen und der Fülle der in ihnen enthaltenen Gedanken und Anregungen liegt es nahe, nach Schwerpunktsetzungen und Akzentuierungen, nach Unterscheidungen und Gewichtungen zu fragen, die das Schrifttum Jörg Spletts inhaltlich strukturieren und zugänglich machen: Wo liegen die Grundmotive seines Denkens, von welchen Voraussetzungen aus werden sie entwickelt, in welchen Schriften sind sie grundlegend formuliert und entfaltet, wo lassen sie sich besonders gut erkennen?

Der folgende Beitrag möchte eine erste Übersicht über das Schrifttum Jörg Spletts bieten, es in seinen thematischen Schwerpunkten vorstellen und ordnen, Entwicklungslinien und Verbindungen kenntlich machen und Lesehinweise geben.

1. Erste Zugänge:
Ein Gespräch, die Antritts- und die Abschiedsvorlesung

1. Es mag dem „Antwortcharakter“ des Denkens Jörg Spletts in besonderer Weise entsprechen, wenn dabei als ein erster Zugang zu Leben und Werk ein Gespräch aus dem Jahr 2007 genannt wird: Unter dem Titel „‚Es ist bei Ihm aufgehoben. Der Philosoph Jörg Splett – Ein dialogisches Porträt“ gibt Splett darin ausführlich Auskunft über die persönlichen Erfahrungen und Entwicklungen, die für sein Denken von Bedeutung waren und in sein Lehren und Schreiben eingegangen sind. Vor biographischem Hintergrund lässt das Gespräch nicht nur einleitend und für ein erstes Verständnis die Grundmotive seines Denkens anklingen, es macht zugleich die persönliche Note seiner Philosophie sichtbar: „In der Tat muss ich gedanklich klar haben, was ich lebe.“ – „Deswegen auch die Entscheidung für die Philosophie: wegen ihrer Radikalität.“[5]

Von programmatischer Bedeutung für sein Schaffen sind sodann die Antritts- und die Abschiedsvorlesung, die den äußeren Rahmen seiner Tätigkeit als Professor für Anthropologie und Religionsphilosophie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen SJ in Frankfurt/M. markieren.

2. Die Antrittsvorlesung von 1971 formuliert als Selbstvorstellung zu Beginn der Lehrtätigkeit das Programm „Anthropo-Theologie“, das zum inhaltlichen Leitmotiv der Wortmeldungen Spletts geworden ist:

„[P]hilosophisches Reden vom Menschen spricht tatsächlich immer – und soll dies in wissender Bejahung tun – von Gott.“[6]

Die Vorlesung selbst ist in erster Linie eine formale, wissenschaftstheoretische Erörterung zum „Verhältnis zweier Disziplinen“ (wie es im Untertitel heißt) – philosophischer Anthropologie und philosophischer Theologie –, die miteinander verbunden werden: (a) Das Reden von Gott wird als Reden vom Menschen (d. h. als anthropologische Theologie) ausgewiesen, weil „der konkrete Mensch“ nicht nur Subjekt solchen Sprechens ist, sondern auch „Erscheinung“ Gottes: „Damit wird die Wahrheit Fleisch und Blut [...]. Fleisch und Blut aber ist der Mensch nicht als Einzelner, sondern als Ich und Du“ (161). – (b) Und das Reden vom Menschen geschieht zugleich als Reden von Gott (d. h. als theologische Anthropologie), weil zum Menschen wesentlich der Gottesbezug gehört – jedoch keineswegs nur so, dass das Reden von Gott um des Menschen willen geschieht: „Von Gott spricht es letztlich nur dann, wenn es um Gottes willen von ihm spricht“ (167).

Neben den disziplinären Überlegungen, die den grundlegenden Anspruch dieser Philosophie auf Wissenschaftlichkeit und Anschluss an das wissenschaftliche Gespräch erkennbar machen[7], lässt der Text verschiedene Grundmotive anklingen, die in anderen Werken weiter entfaltet werden: das Dialogische, die Perspektivität unser selbst und unseres Redens, die Themen Leid, Würde, Freiheit, Geheimnis und Dank.

3. Auch die Abschiedsvorlesung von 2005 hat in erster Linie einen formal-hermeneutischen Charakter. Noch mehr als die Antrittsvorlesung markiert sie gewissermaßen den „Notenschlüssel“, der die Tonart des ganzen Schrifttums angibt: Nicht zuletzt bedingt durch „die heutige Situation“ und das „Befremden“, das der Anspruch auf allgemeine Verbindlichkeit der eigenen Aussagen auslöst, stellt Splett sein Schaffen hier unter das Vorzeichen des „Dienstes an der Wahrheit“.[8] Vom Begriff der Wahrheit aus – verstanden als „das Da-sein von etwas oder jemandem“ (322, vgl. Abschnitt I. Wahrheit) – werden als Grundsignaturen seiner Philosophie erschlossen:

(a) ihr dialogischer Charakter: denn Wahrheit ist „die Wirklichkeit als Begegnung: Realität als Bezug. Begegnung aber ist ein anthropologisch-personaler Begriff. So situiert sich unsere Reflexion im interpersonalen Feld“ (324, vgl. Abschnitt II. Dialogik); ferner

(b) ihre theozentrische Ausrichtung: denn bereits „das Da-(Sein) der Personen füreinander“ weist über sich selbst hinaus auf ihren göttlichen Ursprung hin, so dass statt von „Ich“ und „Du“ von „Wir“ zu sprechen ist (vgl. 329). – Weil „der personale Gott“ dem Menschen überdies vor allem in der „Gewissenserfahrung unbedingten Anspruchs“ aufscheint, gilt es, „der Wahrheit die Ehre zu geben“ (330). So ergibt sich

(c) der moralisch-praktische Primat im Denken Spletts gleichermaßen aus dem „Schrecken des [sittlichen] Anspruchs“ und dem „Glück des Angerufen- und Angeblicktseins“. An seinem Ende steht die „Selbst-Übereignung“ des Menschen, die in der Haltung der Anbetung „sich am Gott-Sein Gottes erfreut“ [9] (333, vgl. Abschnitt III. Gott).

Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang schließlich die Hervorhebung des Zeugnisses als eines besonderen Modus der Rede: das Zeugnis vor allem ist „Ort der Wahrheit“ (326). Für Splett ergibt es sich aus Amt und Aufgabe des „Professors“ – kommt doch das Wort „von ‚profiteri = sich öffentlich bekennen“ (322).

Antritts- und Abschiedsvorlesung umreißen somit den konzeptionellen Horizont, in dem sich das Oeuvre entfaltet. Unter dem Leitmotiv der „Anthropo-Theologie im Dienst der Wahrheit“ lassen sich die Schriften von daher um die beiden Pole Mensch und Gott wie um die zwei Brennpunkte einer Ellipse ordnen. Als solche bieten sie erste Orientierungspunkte, anhand derer die inhaltliche Explikation seines Programms verfolgt werden kann.[10]

Unter dem Vorzeichen des „Antwortcharakters“ der Philosophie Spletts verdienen dabei die pragmatischen Kontexte, in denen die einzelnen Schriften entstanden sind, besondere Beachtung. Neben seiner Tätigkeit als Lehrer für die Fächer Philosophische Anthropologie und Philosophische Gotteslehre an den Jesuitenhochschulen in Frankfurt/M. und München sind dies die jahrzehntelange Vortragstätigkeit in der Priester- und Erwachsenenbildung sowie die Mitgliedschaft in den Redaktionen der Zeitschriften Il Nuovo Areopago (1982-2002) und Theologie und Philosophie (1980-2009) sowie im Beirat der Zeitschrift für medizinische Ethik (zuvor Arzt und Christ, seit 1989).

Mit diesem Engagement ist zugleich eine Erweiterung des Adressatenkreises über die „innerwissenschaftliche Arbeit“ hinaus auf ein breiteres Publikum hin gegeben.[11] Auch deswegen tragen die „Antworten“ Spletts in besonderer Weise die Signatur der Fragestellungen bestimmter Zeiten und sind immer auch Reflex gesellschaftlicher und kirchlicher Debatten der vergangenen Jahrzehnte. Zum größten Teil haben sie ursprünglich die Form von Beiträgen, Aufsätzen und Artikeln, die nachträglich in Sammelbänden zusammengefasst und synthetisiert worden sind. Dabei hat Splett sich stets bemüht, das Zufällige ihrer Entstehung zurück zu binden an sein Grundanliegen und von dort her zu systematisieren, zu ordnen und um eine zentrale These zu gruppieren.[12] Ist damit zwar die Unvermeidlichkeit von Wiederholungen und thematischen Überschneidungen gegeben, so stehen diese doch unter der Hoffnung,

„dass sich die Themen vertiefen: dass im Kreisen um den Gegenstand derselbe Ort sozusagen eine Spiralwindung tiefer – oder höher erreicht worden sei, mit zugleich gewachsener Klarheit“.[13]

Ihrer Gattung nach lassen sich im Schrifttum Spletts unterscheiden:

(a) die wissenschaftlichen Qualifikationsarbeiten (Promotion und Habilitation), welche die Voraussetzungen des Projekts „Anthropo-Theologie“ schaffen,

(b) die programmatischen Schriften – Monographien bzw. Lehrbücher und Hauptwerke – in denen die Grundlegungen seines philosophischen Ansatzes enthalten sind,

(c) die Sammelbände mit dessen gedanklichen Entfaltungen sowie

(d) die mit der o. g. redaktionellen Arbeit verbundenen Konkretionen in Stellungnahmen zur angewandten Ethik und in Rezensionen und

(e) schließlich die Betrachtungen, in denen der Charakter des Wahrheitszeugnisses besonders stark hervortritt.

Anhand dieser Kriteriologie sei im Folgenden die Entfaltung der Philosophie Jörg Spletts von ihren Ursprüngen her durch seine verschiedenen Schriften hindurch verfolgt – wobei systematische und werkchronologische Gesichtspunkte einander ergänzen.[14]

2. Voraussetzungen: Wissenschaftliche Qualifikationsarbeiten

1. Von den beiden Polen des Projekts „Anthropo-Theologie“ gilt die erste Aufmerksamkeit der Rede von Gott. Die Dissertation über Die Trinitätslehre bei G.W.F. Hegel von 1964 (Freiburg/Br. – München 1965, 3. Aufl. 1984, 1993 ins Italienische übersetzt) benennt gleich zu Beginn die Dreifaltigkeit als „Kern- und Lebensthema“[15] Spletts – und zwar als Thema der (Religions-) Philosophie. Zugleich markiert sie eine grundlegende Option für die Tradition der Philosophie des Deutschen Idealismus (Kant, Fichte, Hegel). Auch wenn der Versuch Hegels, – in Verbindung von „höchste[m] Titanismus und höchste[r] Demut“ (K. Barth) – den Mittelpunkt des christlichen Dogmas spekulativ zu denken, im Ganzen eine kritische Beurteilung erfährt, werden im „Gespräch mit Hegel“ (138-154) zentrale Motive des Grundanliegens Spletts erkennbar, das zentrale Geheimnis des christlichen Glaubens für die Lehre vom Menschen fruchtbar zu machen: in der Akzentuierung der Bedeutung der „(heils-) ökonomischen“ Trinität gegenüber der „immanenten“, im Beharren auf der Dreipersönlichkeit Gottes gegenüber dem Hegelschen Konzept einer Zweieinigkeit, in der Verwahrung des Primats der Liebe gegenüber ihrer Aufhebung in Erkenntnis, in der Herausstellung der Dimensionen von Wahrheit und Geheimnis gegen rationalistische Verkürzungen. – Darüber hinaus bleibt Hegel in seiner „unglaubliche[n] Materialfülle auf allen Gebieten und [der] übermenschliche[n] Kraft, diese verstehend zu durchdringen und systematisch zu organisieren“[16], für Splett Gesprächspartner, der wiederholt die Leitmotive für die Ordnung von Sammelbänden oder deren Motti gibt.[17]

2. Auch die Habilitationsschrift von 1971, Die Rede vom Heiligen. Über ein religionsphilosophisches Grundwort (Freiburg/Br. – München 1971, 21985) – angeregt durch Karl Lehmann, mit dem zusammen Splett seinerzeit Assistent am Lehrstuhl Karl Rahners in München war – steht thematisch zunächst auf der Seite der Rede von Gott. Mit dem „Heiligen“ thematisiert sie jenen Begriff, der von Rudolf Otto her zu einem Grundbegriff der Religionswissenschaften geworden ist und in die Philosophie aufgenommen wurde, um die Ursprünglichkeit und Eigenart der religiösen Dimension zu kennzeichnen. In Auseinandersetzung mit sieben Gestalten der Rede vom Heiligen im 20. Jahrhundert insbesondere aus dem Bereich der Phänomenologie (neben W. Windelband und R. Otto werden v. a. die Entwürfe von M. Scheler, J. Hessen, P. Tillich, M. Heidegger und B. Welte besprochen) entwickelt Splett einen Begriff des Heiligen, das angesichts der Erfahrung von Schuld als Gericht und Gnade erfahren wird und darin als personale Freiheitswirklichkeit erscheint:

„Das Heilige zeigt sich damit als Erscheinung des Göttlichen: als die Unnahbarkeit der Nähe, als die Herr-lichkeit des Vergebens des heiligen Gottes“ (19).

Und die Rede vom Heiligen findet ihre Sinnspitze im Ruhm und Lobpreis Gottes als „heilig offenbar Geheimnis“ (vgl. 346, Hervorhebung von mir).[18]

Die Erschließung des Heiligen geschieht dabei durch eine

„Reflexion des Menschen auf sich und seine ‚condition humaine‘ als solche. Anders gesagt: auf seine Grunderfahrung – als die endlicher Freiheit“ (9).

Grunderfahrung meint dabei jenes Innewerden (oder Je-schon-Innegeworden-sein) meiner selbst, meiner (als unserer) Welt und meines Innewerdens dessen, es meint jenes ursprüngliche Bewusstsein und – sei’s ‚unbewußte‘ – Wissen um sich und ‚das Ganze‘, das als ‚Mitwissen‘ (con-scientia) alle Einzelerfahrungen ermöglichend, tragend und qualifizierend ‚begleitet‘ – indem es sie nicht nur (in leitendem Rückbezug auf das Ich) als je meine bestimmt, sondern vor allem (im Rückbezug auf die Sinn-Evidenz sich gewährender Wahrheit) als Erfahrung [...]. Grunderfahrung ist [...] ‚transzendentale Erfahrung‘ (M. Müller)“ (9-10, Hervorhebungen von mir).[19]

Ist mit diesen Bestimmungen der Anschluss an die von der Transzendentalphilosophie sowie dem Existenzdenken Martin Heideggers geprägten Tradition seiner Lehrer Max Müller und Karl Rahner markiert, so charakterisiert Splett die Philosophie als

„prinzipielle (Selbst-)Auslegung von Grunderfahrung“ (19),

die als solche „umfassende und prinzipielle Daseinsinterpretation“ (9) ist. In der Beschreibung des Heiligen im Ausgang von der „Erfahrung unbedingten Betroffenseins“ (225-230) lässt sie sich freilich – ihrem Namen nach – nicht nur als „Liebe zur Weisheit“, sondern auch als „philia (des Menschen als Denkenden) zum sophón“ (20-21), d. h. zum Heiligen, charakterisieren. – Von hier aus wird zugleich Spletts Option für ein Modell christlicher Philosophie[20] zugänglich, das als methodisches Selbstverständnis die Äußerungen aller weiteren Schriften explizit bestimmen wird:

„Christlich in der Bejahung des Erbes, das die reflektierte Grunderfahrung wie die Weise ihrer Reflexion bestimmt;

Philosophie, insofern es Auslegung der eigenen Erfahrung (im Gespräch mit der Tradition) ist, nicht die (freilich stets auch das Eigene auslegende) Auslegung tradierter Urkunden als (göttlich-)autoritativer“ (20).

Damit sind die wesentlichen Grundzüge und begrifflichen Voraussetzungen skizziert. Vor allem den Begriffen Erfahrung und Freiheit kommt die Rolle von zentralen Erschließungskategorien zu, die nicht nur für die Rede von Gott, sondern auch für die Rede vom Menschen die programmatischen Grundlegungen des Projekts „Anthropo-Theologie“ bestimmen werden.

3. Grundlegungen: Hauptwerke und programmatische Schriften

1. Für diese programmatischen Grundlegungen steht vor allem anderen Spletts „Gotteslehre“, das Buch Gotteserfahrung im Denken. Zur philosophischen Rechtfertigung des Redens von Gott (zuerst Freiburg/Br. – München 1973). Ursprünglich als „systematisch aufgebautes Lehr- und Handbuch“ (W. Kern) aus Vorlesungen erwachsen, die er seit Sommer 1969 an der Hochschule der Jesuiten in Pullach gehalten hat, ist das Werk mehrfach überarbeitet, aktualisiert und erweitert worden und liegt mittlerweile in 5. Auflage vor (München 2005). Dieses am meisten durchgearbeitete Buch Spletts lässt sich mit Fug und Recht als sein Hauptwerk bezeichnen. Als „philosophische Theologie“, die das „Kernstück der Religionsphilosophie“ bildet (7), unternimmt es – wie es programmatisch im ersten Satz heißt – „den Versuch, das Reden von Gott philosophisch zu rechtfertigen“ (11). Unter dem Vorzeichen christlicher Philosophie (vgl. Kap. 1), bietet es

„eine transzendental-anthropologische Besinnung auf Grunderfahrungen und ‑vollzüge des Menschen bzw. auf Grundmomente in jeglichem Erfahren und Handeln“ (5. Aufl., 9).

Dabei stellt sich das Buch ausdrücklich in die Kontinuität zu Die Rede vom Heiligen. Weiter ausgreifend als die Habilitationsschrift, nimmt es nicht nur die Erfahrung des Heiligen, sondern allgemeiner die vielfältige menschliche Erfahrung von Sinn zum Ausgangspunkt, um darin die (Mit-)Erfahrung Gottes zu erschließen (vgl. Kap. 2-3). Das Zentrum und den Angelpunkt des Buches bildet dabei der „Gottesbeweis Mitmenschlichkeit“ (Kap. 4), eine moderne Variante der klassischen Gottesbeweise[21], der jedoch anders als diese nicht kosmologisch, sondern anthropologisch ansetzt. – In seiner formalen Fassung lautet er:

1. Im Sinnanspruch des Menschen geht es um Absolut-Unendlich-Unbedingtes, und dies nicht beliebig, sondern wesentlich, unaufhebbar.

2. Ein derart unaufhebbarer, wesensgesetzlicher Ausgriff kann nicht auf schlechthin Unmögliches zielen.

3. Soll das Unbedingt-Absolute nicht unmöglich sein, dann darf es nicht bloße Möglichkeit, sondern muss je schon Wirklichkeit sein“ (53).

Splett greift damit das Modell des transzendentalen Gottesbeweises auf, wie er in der Tradition des Transzendentalthomismus von J. Maréchal entwickelt worden war.[22] Der formale Rahmen des Beweises wird in einem zweiten Schritt inhaltlich „gefüllt“ durch die Erfahrungen konkreter Mitmenschlichkeit, v. a. durch die Erfahrung unbedingten Betroffenwerdens durch „Bitte, Anfrage, Anruf des anderen an mich“ (68):

„Darin erfahre ich, rechte Antwort soll sein – und darum Frage nach ihr, Wahrheit soll da-sein, und darum die, in deren Miteinander sie da ist: Wir – menschliche Mitmenschlichkeit soll sein“ (68 f.).

Die inhaltliche Fassung des „Gottesbeweises Mitmenschlichkeit“ lautet daher:

„1.               Als ‚Faktum der Vernunft‘ (I. Kant) trifft uns ein so einsichtiger wie schlechthin verpflichtender Imperativ. Er gilt fraglos, bedarf keiner Begründung, sondern rechtfertigt sich aus sich selbst (darum heißt er – seit Platon – ‚Licht‘).

2. Gleichwohl stellt sich nicht allein anthropologisch, sondern schon ethisch die Frage nach seinem Woher.

  Anthropologisch: Wie lässt sich verstehen, dass der bedingt-begrenzte Mensch derart unbedingt, kategorisch beansprucht wird?

  Ethisch: Genügt es, faktisch zu tun, was der Imperativ fordert, oder wäre das Tun nicht zugleich/zuvor als Antwort auf diesen Anspruch zu vollziehen?

3. In seiner Doppelgestalt von Einsichtigkeit und kategorischer Verpflichtung kann der Anspruch einzig von freier Personwirklichkeit ergehen. Nicht einer solchen, die ihrerseits unter ihm stünde [...], sondern sie muss von Wesen gut und heilig sein: das Gute/Heilige in Person“ (73).

Im Gottesbeweis kristallisieren sich damit wie in einem Brennglas die bereits genannten Grundmotive Splettscher Philosophie: die Bedeutung der Wahrheit als Licht des Unbedingten und seine Verpflichtung, moralischer Anspruch und dialogische Antwort, die freie Personwirklichkeit und die Erfahrung des Heiligen im Gewissen. – Es zeichnet sich mithin die summarische Bestimmung des Splettschen Gottesbegriffs ab, nach der Gott das „Wovon-her unse­res unbedingt Gut-sein-Sollen(-dürfen)s“ ist.[23]

Zugleich konzentriert sich gerade in der inhaltlichen Fassung des „Gottesbeweises Mitmenschlichkeit“, der von seiner ursprünglichen bis zu seiner späteren Fassung eine nicht unmaßgebliche Umarbeitung erfahren hat, was Splett selbst als „Hauptverschiebung“ seines Denkens charakterisiert hat: die „Wendung [...] vom Dynamismus [...] zum Getroffen-Werden und Sich-ergreifen-Lassen“[24]: „Vor die Intentionalität“ und die dynamische Selbsttranszendenz des Menschen von sich her, die den „transzendentalen Gottesbeweis“ von seiner Herkunft aus der Schule Maréchals und Rahners kennzeichnete, rückt „nun das Angesprochensein“ vom anderen her im Sinne des Alteritätsdenkens von E. Levinas.

Der weitere Gedankengang von Gotteserfahrung im Denken stellt die Verbindung des „Gottesbeweises Mitmenschlichkeit“ zur Tradition der klassischen Gottesbeweise her: Wie diese ist er „Kontingenzbeweis“[25], d. h. in ihm wird (a) die Kontingenz der Welt überhaupt erschlossen sowie (b) deren geforderte Ursache als einzig Nichtkontingentes, d. h. Absolut-Wirkliches und (c) dessen Charakter als Freiheits- und Personwirklichkeit (vgl. 83, Kap. 5). Der doppelgestaltigen „Trans-Immanenz“ (93), in der Gott darin gegenüber der Welt erscheint, trägt die doppelte Reflexion der folgenden Kapitel Rechnung: (a) auf seine Immanenz anhand des Schöpfungsbegriffs – wobei dem Gedanken der creatio continua besondere Bedeutung zukommt (Kap. 6)[26] –, und (b) auf seine Transzendenz mit Hilfe des Analogiegedankens[27]: Im Rückgriff insbesondere auf Nikolaus von Kues geht es Splett darum, Analogie „im Licht personaler Dialogik zu verstehen“ (117; Kap. 7) und das Gabe-Geschehen zwischen Schöpfer und Geschöpf als dialogischen Freiheitsbezug sichtbar zu machen.[28] – Ihre Bewährung erfährt seine Gotteslehre schließlich in Auseinandersetzung mit den (zeitgenössischen) Einwänden (a) des Atheismus (Kap. 8) und (b) der (Anti-)Theodizeen (Kap. 9). Im Hinblick auf die Theodizee-Frage räumt Splett ein: „man wird mit ihr niemals fertig, niemand wird es“ (175). Gleichwohl erhalten die Überlegungen seiner Gotteslehre kein völlig offenes Ende, denn:

„Es ist nicht so, als gäbe es gar nichts Gutes und keinen Sinn, oder als wäre, was uns erfreut und beglückt, bloßer Zufall. Jeder hat Gründe und Grund zum Dank [...]. Es geht also um das Gedenken an schon erfahrenen Sinn und um das Bedenken seines Verheißungscharakter“ (214).[29]

Neben den Aussagen der Gotteslehre ergeben sich vom „Gottesbeweis Mitmenschlichkeit“ aus aber auch die zentralen Motive für die Lehre vom Menschen. Insbesondere dem Begriff der Freiheit kommt dabei, wie bereits angedeutet, entscheidende Bedeutung zu.

2. Denn es ist der Begriff der Freiheit, der leitmotivisch jene drei Schriften miteinander verknüpft, denen im Projekt „Anthropo-Theologie“ seitens der Rede vom Menschen programmatische Bedeutung zukommt: (2.1) Als „Entwurf einer philosophischen Anthropologie“[30] bzw. „Gesamtgrundriss christlicher Anthropologie“[31] besitzt das Buch Der Mensch in seiner Freiheit (Mainz 1967) in erster Linie Einführungscharakter, insofern es v. a. die Verbindungen zur Frage nach dem Menschen in Tradition und Gegenwart herstellt (vgl. v. a. Teil I). – (2.2) Demgegenüber schafft der Band Konturen der Freiheit. Zum christlichen Sprechen vom Menschen (Frankfurt/M. 1974) in inhaltlicher Hinsicht die eigentlichen Grundlagen. – (2.3) Die Schrift Freiheits-Erfahrung. Vergegenwärtigungen christlicher Anthropo-theologie (Frankfurt/M. 1986) schließlich trägt mit ihren daran anschließenden „Verdeutlichungen“ als „Über- und Zusammenschau“[32] das Gepräge des Vervollständigenden und Summarischen. – Mit dem Begriff der Freiheit greift Splett dabei jenen Begriff auf, der nicht nur von der Tradition der Philosophie des Deutschen Idealismus her, sondern auch aufgrund des allgemeinen Zeitbewusstseins des 20. Jahrhunderts als zentrales Kennzeichen für das Selbstverständnis des Menschen gelten kann.[33]

2.1. In diesem Sinne situiert der Band Der Mensch in seiner Freiheit – als erster Band einer von Karl Rahner geplanten Laiendogmatik konzipiert und von Splett als „Ersatzautor“ für Johann Baptist Metz übernommen[34] – seine Überlegungen im Horizont der „Frage nach dem Menschen“, die die Philosophie von Beginn an begleitet hat. Durch die „anthropologische [...] Wende im 20. Jahrhundert“ (14) hat sie eine besondere Intensität erhalten und die Gegenwart „das anthropologische Zeitalter, das Zeitalter des Menschen“ (13) werden lassen. Gerade die Fraglichkeit des Menschen ist dabei Bezugspunkt, um zu zeigen

„wie der Mensch sich als leib- und welthaftes, geschichtliches Wesen begreift: vielfach bedingt und voller Fragwürdigkeit; zugleich aber – in aller Fraglichkeit – unweigerlich unter fraglosen Anspruch gestellt, der ihn unbedingt einfordert, ihn in die Wahl von Ja und Nein ruft, ohne dass er der Entscheidung ausweichen könnte“ (10; vgl. Teil I).

Endlichkeit und Geschichtlichkeit, Raum und Welt (Leiblichkeit) sowie Zeit und Geschichte erscheinen dabei als die zentralen „Wesensbestimmungen des Menschen (seine ‚Existentiale‘ oder ‚Existenzialien‘)“ (ebd.), die den „bedingten Menschen“ (vgl. Teil II) „im Licht des Unbedingten“ (vgl. Teil III) zeigen. In diesem Licht ergeht der Anspruch und Anruf Gottes an ihn, der ihn zum Vollzug der Selbsttranszendenz „gerufener Freiheit“ veranlasst.[35]

2.2. Das Buch Konturen der Freiheit setzt diese Linie fort. Obwohl nicht als Monographie konzipiert, sondern aus verschiedenen Aufsätzen erwachsen, hat es unter den Schriften Spletts dadurch einen besonderen Status gewonnen, dass es an der Jesuitenhochschule in Frankfurt/M. jahrzehntelang das Lehrbuch für das Fach Anthropologie war. Als „philosophische Grenzbetrachtungen“ (9) wollen die Ausführungen die Freiheit als menschliche Grundbestimmung „konturieren“. Denn:

„‚Grenze‘ [zeigt] sich [...] als ein Grundmotiv von Existenz. Und darauf zielt der Name KONTUR. Alles, was uns begegnet, ist es selbst – und ist nicht ein anderes, als es ist. Es ist weder alles noch nichts, sondern dieses Bestimmte; in seinen Grenzen und von ihnen her ist es, was es ist: ‚Konturlose, unbestimmte Freiheit ist keine‘“ (11).

Den Anfang bildet im 1. Kapitel ein „positiver Aufweis menschlicher Willensfreiheit“ (15), der zugleich „ein zugespitztes Resümee des III. Hauptteils von Der Mensch in seiner Freiheit“ (15, Anm. 1) ist und die Grundlagen für die weiteren „Konturierungen“ schafft. Bemerkenswerterweise ist es der theoretische Kontext der modernen (Natur-)Wissenschaften mit ihren Aussagen und Behauptungen, näherhin die Problematik der Wahrheit und Gewissheit dieser Aussagen, an welche die Analysen Spletts in sprachphilosophischer Weise anknüpfen:

„Behauptung ist Tat von Freiheit, sonst wäre sie kein Behaupten; aber sie ist nicht Willkür. In jedem Urteil geht es um die Wahrheit (selbst der Lügner muss das behaupten); und wie dies Gehen-um Freiheit bedingt, so wäre andererseits Freiheit verkannt, wenn man diesen Ernst, ihr Eingefordertsein nicht sähe [...]. Das Du-sollst der Wahrheitsforderung aber – sofern es hier und jetzt tatsächlich ergeht – verbietet dem Angeforderten gerade auch die Ausflucht des ‚Ich kann nun einmal nicht anders; nur Freiheit kann Sollen überhaupt vernehmen: Wer es vernimmt, ist grundsätzlich frei [...]. In jedem Urteil, in allem geistigen Tun, anerkennen wir schon, dass wir unter diesen Anruf der Wahrheit gestellt sind“ (30).[36]

Gerade im (natur-)wissenschaftlichen Kontext erscheint somit die Freiheit in ihrem Gerufensein unter dem Anspruch der Wahrheit. Ihr zentrales Charakteristikum und ihr Kern ist daher das Sollen, das in der Erfahrung des Gewissens explizit wird und den anthropologischen Überlegungen Spletts ihr grundlegend moralisches Gepräge verleiht.

Auf dieser Grundlage werden die weiteren „Konturierungen“ der Freiheit des Menschen bedacht: durch die beschränkenden Naturbedingungen in seiner Leibhaftigkeit (Kap. 2), durch den Widerstand anderer Freiheit unter dem Stichwort „Autorität“ (Kap. 3), durch Schuld (Kap. 4), Sterblichkeit und Tod (Kap. 5).[37] – Die Betrachtung der Grenzen soll dabei letztlich zum „Selbst-Überstieg“ führen, „den Freiheit als ihren Wesens-Sinn erfährt und lebt“ (12). So münden die Überlegungen in das 6. Kapitel: „Befreiendes Reden vom Menschen: ‚Anthropo-theologie‘“, denn „befreiend vom Menschen und seiner Freiheit kann man nur sprechen, wenn man ausdrücklich von Gott spricht“. – Insofern es sich bei diesem Kapitel ursprünglich um die o. g. Antrittsvorlesung handelt, zeigen sich die Konturen der Freiheit als die eigentliche Fundierung der anthropologischen Seite des Splettschen Programms.

2.3. Schon im Titel bringt der dritte der genannten Bände die beiden Begriffe zusammen, die oben als Leitmotive der programmatischen Grundlegungen Spletts hervorgehoben wurden: Freiheits-Erfahrung. Überdies benennt der Untertitel des den beiden Söhnen Martin und Thomas gewidmeten Werks – im Übrigen als einziger Buchtitel – explizit das Programm „Anthropo-Theologie“ und deutet so an, dass der Autor hier zu seinem 50. Geburtstag eine gewisse Summe des Bisherigen vorlegt. Die 15 Kapitel sind in vier Teile gebündelt. Neben den in Konturen der Freiheit genannten Grunddimensionen des Menschseins („I. Im Licht des Unbedingten“: Wahrheits-Anspruch, Kap. 1; Grundbegriff „Gott“, Kap. 3; ergänzt um ein Kapitel zur christlichen Philosophie, Kap. 2; „II. Lebensbedingungen“: Freiheit, Kap. 4; Gemeinsamkeit und Autorität, Kap. 5; Tod, Kap. 10) umfasst der Band Vertiefungen zu den Phänomenen Sexualität (Kap. 6), Kind-Sein (Kap. 7), Krankheit (Kap. 8) und Alter (Kap. 9). Auch die unter dem Titel „III. Zeit-Fragen“ geordneten Themen – Hoffnung (Kap. 11), Heimat (Kap. 12), Frieden (Kap. 13) – enthalten über die aktualitätsbedingten Motive ihrer Entstehung in den 1980er Jahren hinaus grundsätzliche Phänomenbeschreibungen.

Eine herausgehobene Bedeutung unter den Schriften Spletts kommt dem Band jedoch vor allem deswegen zu, weil er im abschließenden IV. Teil unter dem Titel „Trinitarischer Sinn-Raum“ (Kap. 14 und 15) nicht nur erstmals die o. g. denkerische Verschiebung zu E. Levinas dokumentiert (vgl. v. a. 334-339) und dadurch den dialogischen Akzent wesentlich stärkt. Vor allem wird – unter dem Einfluss des mittelalterlichen Theologen Richard von St. Viktor – als das Grundmaß von Freiheits-Erfahrung das „Drei-Gespräch“ aufgezeigt, und so die Trinitätslehre anthropologisch fruchtbar gemacht:

„Wie das Ich sich erst in Kommunikation mit einem Du verwirklicht, so entsprechend das Wir. Die zwei schließen den Dritten nicht aus und sich ihm gegenüber ab, sondern sie nehmen ihn an und auf, räumen ihm einen Ort ein, lassen ihn sein und sich entfalten. Sie erfahren ihr eins in diesem Dienst und Entzücken an ihm, und sie freuen sich um seinetwillen, dass sie zu zweit ihm reicheren Raum geben können. – Er wiederum findet nicht nur sich selbst und ‚entfaltet‘ sich in ihrer Zukehr, sondern er freut sich zugleich, in seinem Beschenktwerden ihrem Schenken, das heißt ihrem Einssein, zu dienen“ (316).[38]

Im „trinitarischen Sinn-Raum“ wird es einerseits möglich, die Drei-Einigkeit Gottes wirklich als Drei-Einigkeit zu denken, andererseits eröffnet sich anthropologisch der Weg, die Einheit und den Zusammenhang von Gottes- und Nächstenliebe zu begreifen, ohne die eine auf die andere zurückzuführen. Im „trinitarischen Sinn-Raum“ können somit jene Fragen ihre Beantwortung finden, die sich von der Dissertation über Hegel her stellten.

Wie ein Kranz gruppieren sich die weiteren Bücher um diese programmatische Mitte und entfalten die Grundmotive nach verschiedenen Richtungen hin.

4. Entfaltungen: Sammelbände

1. Dabei stehen jene Entfaltungen, die sich auf der Linie des Redens von Gott bewegen, mehr oder weniger unmittelbar im Zusammenhang mit den Erörterungen, die durch Die Rede vom Heiligen und Gotteserfahrung im Denken vorgezeichnet sind:

1.1. Die kleine Schrift Sakrament der Wirklichkeit. Vorüberlegungen zu einem weltlichen Begriff des Heiligen (Würzburg 1968) bietet im zeitgeschichtlichen Kontext des Zweiten Vatikanischen Konzils angesichts der Einebnung des Unterschieds von Sakralem und Profanem, der den Geist jener Jahre bestimmte[39], eine Konkretisierung der Rede vom Heiligen, indem sie die Begriffe „Sakrament“, „Welt“, „Wirklichkeit“, „Gnade“ vom Gesichtspunkt christlicher Philosophie aus zugänglich macht. Zentrale Erschließungskategorie ist dabei der Begriff des Symbols (11-24), dem schon in der Habilitationsschrift eine entscheidende Bedeutung zukam.[40] Er macht zunächst Wahrheit, Gewissheit (25-38) und Geschichtlichkeit (39-52) als „Pole der Spannung [sichtbar], in welcher ‚symbolische‘ Existenz sich vollzieht“ (53), um von hier aus zu einem Begriff von „Welt“ im christlichen Verständnis (53-68) und – unter Vermittlung des Glaubens (69-81) – zum Verständnis von „sakramentaler Welt“ (82-96) zu führen:

„Kraft des Heiligen ist die Wirklichkeit in all ihren Dimensionen Sakrament“ (97).

Die „Überlegungen über die Gegenwart des Heiligen in dieser Welt“ münden schließlich in die Betrachtung der Eucharistie als „Gabe des heiligsten Sakraments“ – und die „Besinnung über diesen Dankvollzug in neuen Dank“ (115).

1.2. Die Fragestellungen moderner Sprachphilosophie und Wissenschaftstheorie sowie marxistischer Religionskritik greift der Band Reden aus Glauben. Zum christlichen Sprechen von Gott (1973) auf, indem er die philosophische Gottesrede zurück bindet an „die Reflexion von Verstehensbedingungen, welche die heutige Bewusstseinslage als solche und eher den Menschen als ganzen betreffen“ (9):

„‚Reden von Gott, das nötigt dazu, nach einer möglichen Gottes-Erfahrung zu fragen, von woher allein solches Reden legitimiert werden könnte“ (10; vgl. 13-26).

Werkchronologisch zwischen Die Rede vom Heiligen und Gotteserfahrung im Denken angesiedelt, sind die Ausführungen bewusst als „Vorfragen, Vorüberlegungen, ‚Präludien‘ zum Thema“ (11) gekennzeichnet, die „nach verschiedenen Richtungen hin [...] das Sprechen von Gott gegenüber Missverständnissen und grundsätzlicher Ablehnung in seinem Zielsinn“ bestimmen „und nach seinen Möglichkeiten“ verdeutlichen: als Reden, das (a) nicht nur von Gott handelt, sondern auch – als Gebetvor Gott und – als Wort Gottes – von ihm her geschieht (vgl. 27-47), (b) als „Zeugnis, das sich festlegt“ (48-67) – angesichts (c) von Glaubenskritik und kritischem Glauben in der Gegenwart, wie sie sich durch die Religionskritik (68-86) und (d) die Forderungen der technischen Welt mit ihren Fortschrittsprognosen stellen (87-108), sowie schließlich (e) angesichts eines sich wandelnden und dieser Wandlungen sich bewussten Glaubensbewusstseins (109-124). Ihnen gegenüber zeigt sich die christliche Gottesrede als „ewige Botschaft“ (Offb 14,6) – mit ihrem Zeugnis von der Nähe Gottes, der Erlösung von Schuld, der Verwandlung der Welt, der Eröffnung von Freiheit aus Gnade (125-144). Denn:

„Das Jetzt der Zeit der Gnade ist von nun an allezeit, solange Zeit ist. Wirklich als Jetzt – nicht mittlerweile als derart vergangen, ‚dass es schon nicht mehr wahr ist‘. Als Jetzt, das jederzeit den angeht, der seiner Botschaft begegnet. Insofern mag sie also ewig heißen“ (127).

1.3. Im zeitlichen Abstand von fünfundzwanzig Jahren nehmen die Ausführungen des ungedruckten Skripts Gottes-Anruf. Über das Wort von Gott (unseres wie seines) und das Wort zu Ihm (1998) noch einmal den „Bezug zum Heiligen“ zum Ausgangspunkt, um das Wesen von Religion zugänglich zu machen. Ihre Herausforderung besitzen sie „in der neuen Konjunktur ‚negativer Theologie‘“, die an die Stelle des (konkreten) Dreieinigkeits-Bekenntnisses das diffuse Schweigen vor dem namenlosen Geheimnis setzt. Demgegenüber profiliert Splett die eigentliche Grundbedeutung von Geheimnis als „Gesammelt-Daheim-sein“[41]. Sie erhält ihren besonderen Sinn dadurch, dass „Person und Person-sein [...] zu den Grund-Geheimnissen unseres Lebens“ zählen und im Geheimnis der Dreieinigkeit Gottes ihren Ursprung und ihren Zielsinn finden. Von der Bestimmung des Heiligen (Kap. 1) über die Gotteserfahrung im Gewissen (Kap. 2), die Rückbindung der darin sichtbar werdenden Dimension des Personalen an die trinitarische Gemeinschaft (Kap. 3) und die Rechtfertigung des Schöpfungsverständnisses gegenüber der Theodizeefrage (Kap. 4) führen die Überlegungen schließlich zu einer Kriteriologie des Betens als Rede von und zu Gott bzw. als „Antwort des Gerufenen“ (Kap. 5). – Als „Arbeitsunterlage“ „in dankbarer Erinnerung an ein intensives Wochenende mit Religionslehrern in Fulda (März 1998)“ entstanden, gibt das Skript gerade in seiner fragmenthaften Gestalt (und ohne Fußnoten!) einen guten Überblick über die zentralen Topoi Splettscher Philosophie.[42]

2. Für jene Schriften, die im engeren Sinne die Rede vom Menschen weiter entfalten, lässt sich aufgrund der o. g. „Konturierungen“ eine dreifache Unterscheidung treffen: (2.1) So ist das anthropologische Zentralmerkmal der Freiheit im Hinblick auf seine Verwirklichung Gegenstand jener Bücher, die vor allem ethische Thematik haben und damit den o. g. praktisch-moralischen Grundimpuls weiter ausbuchstabieren. – (2.2) Auf die besonderen Bedingtheiten der Freiheit ist eine Gruppe von Schriften gerichtet, für die wiederum der Kategorie des Symbols eine Schlüsselfunktion zukommt. Denn der Rede vom Menschen geht es nicht um

„Freiheit schlechthin, ‚abstrakte‘ Freiheit [...], sondern [...] [um] das Faktum und die Notwendigkeit ihrer Realisierung, Freiheit als Vollzug und Selbstdarstellung: die Wirklichkeit der Freiheit als/in Symbol.“[43]

„Ursymbol ist für uns derart der menschliche Leib, in dem die Person sich zur Mitwelt hin aussagt, de-finiert und erscheinend verwirklicht. Ähnlich die Grundvollzüge unseres Lebens, in denen Wollen und Denken erst als wirksame voll wirklich werden; vor allem die Sprache, die nicht nur ein gegebenes ‚Zeichensystem‘ ist [...], sondern zuvor der gebende Ordnungsentwurf einer ‚Welt‘.“[44]

Zu den symbolischen Grundvollzügen gehört neben dem Leib und der Sprache schließlich auch das Spiel: „die Spiel-Welt ist symbolische Welt“[45]. Neben den Schriften zu Leiblichkeit und Geschlechtlichkeit, Partnerschaft und Ehe umfasst diese Gruppe daher auch Überlegungen zu Sprache, Dichtung und Kunst sowie zum Spielen. – (2.3) Auf die Beanspruchung menschlicher Freiheit schließlich gehen jene Publikationen ein, die mit ihrer Bindung an die Wahrheit dem elementaren Vorzeichen der Philosophie Spletts weiteres Profil geben und den Status seiner Überlegungen als christliche Philosophie reflektieren.

2.1. Unter den im engeren Sinne ethisch ausgerichteten Schriften ist das Buch Lernziel Menschlichkeit. Philosophische Grundperspektiven (Frankfurt/M. 1976, 2. Aufl. 1981) dem Titel wie dem Inhalt nach wohl das am stärksten praktisch-pädagogisch orientierte. Es setzt – mit Hinweis auf Sokrates – beim bereits o. g. Merkmal der Fraglichkeit des Menschen an. Diese Frage ist „niemals (nur) theoretisch, sondern stets auch, ja vor allem, praktisch gestellt [...]. [E]s kommt ihr auch und zuvor auf eine zu lebende Antwort an“ (11):

„Nach dem Menschsein fragen heißt nach Menschlichkeit fragen. Und diese ist kein theoretisch-objektives Datum, sondern eine Zielwirklichkeit; das heißt, nicht ein vorliegendes Ziel, das es bloß zu erreichen, sondern eine Wirklichkeit, die es erst zu ver-wirklichen gilt“ (14).[46]

Ausgehend von einer ausdrücklichen Besinnung auf die „Grund-Entschei-dungs-Situation des Menschen“ (15, Kap. 1) zwischen Freiheit, Angst und Aggressivität werden als weitere Dimensionen dieses Verwirklichungsprozesses die Themen (a) Wissenschaft (als Abschirmung gegen das ängstigende Geheimnis von Dasein in Leben und Freiheit, Kap. 2), (b) Leiblichkeit und Scham (als „entschiedener Wille zur Wahrung von Wert und Würde des Menschen“ [16], Kap. 3), (c) Bildung (als Ziel der „Menschwerdung“ des Menschen, Kap. 5) und schließlich (d) das Gebet (als Grundwort des Menschen bzw. Antwort und Entsprechung auf den an ihn ergangenen Ruf, Kap. 6) erörtert. Denn: „Der Mensch ist als Wesen des Wortes ursprünglich Wesen von Antwort“ (115), und in den unterschiedlichen Modi betenden Sprechens fasst er sich selbst in seinen verschiedenen zeitlichen Dimensionen zusammen, um sich als ganzen vor Gott zu bringen:

„[I]ndem nun gerufene Freiheit dankbar ihre Herkunft, bittend ihre Zukunft Augenblick für Augenblick wirklich erhält, indem sie aus der Freigebigkeit sie berufender Freiheit zu sich selber freigegeben wird, wird sie zugleich auch von sich und der Sorge um sich befreit. Dank und Bitte können sich ihr dann in dem vollenden, wofür sie immer neu dankt und worum sie immer neu bittet: im Wagnis selbstvergessenen Lobs. – Fest [...] ist die Vollendung des Danks. Die Mitte des Fests ist der Lobpreis [...]. Nicht mehr Herkunft und Zukunft: stehendes Jetzt – nicht als Flucht aus der Zeit, sondern als ihre Sammlung. Nicht mehr Sorge und Zweck, nicht Warum noch Wozu: reiner Sinn. Anders gesagt: im Lobpreis ist Liebe ganz zu dem geworden, was sie ist “ (139 f., Hervorhebungen von mir).

Den Schwer- und Zentralpunkt der Überlegungen, der auch die beiden letzten Kapitel motiviert, bildet dementsprechend im 4. Kapitel der Gedanke der „‚strukturalen Selbstlosigkeit‘ des Menschen“ (17): Wenn der Mensch nach sich selbst fragt, geht es ihm eigentlich nicht um sich selbst. Weder in der Suche nach sich selbst noch in der Verleugnung seiner selbst findet er sein Glück, sondern einzig in der Selbstvergessenheit, im erfüllenden Beglücktsein vom anderen:

„Möglichkeit und Sinn der Menschlichkeit des Menschen werden darin gesehen, dass er sich durch seine Liebe bestimmt“ (17).

Als „Klärung und inhaltliche Präzisierung“ (11) und daher als unmittelbare Fortsetzung von Lernziel Menschlichkeit versteht sich das Buch Der Mensch ist Person. Zur christlichen Rechtfertigung des Menschseins (Frankfurt/M. 1978). Im zeitgeschichtlichen Kontext jener Jahre, der sog. „Grundwertedebatte“ in der Bundesrepublik Deutschland entstanden, will es darüber hinaus deutlich machen, worin der Beitrag eines spezifisch christlichen Redens vom Menschen hierzu sowie zu einer philosophischen Anthropologie im allgemeinen besteht.[47] Die Fragestellung gibt Splett Anlass, in nachdrücklicher Weise das Gewissen als „Ernst“ und „Mitte“ (11) des ethischen Ideals der „Menschlichkeit“ sichtbar zu machen, in dem sich die Unbedingtheit moralischen Sollens (vgl. 13) zeigt; den „Kern der Unbedingtheit“ (13) aber benennt der Name Person:

„Gewissenserfahrung ist die Erfahrung von Selbsthaftigkeit und unvertretbarem, unabnehmbarem Personsein“ (46).

Für die Grundlegung seiner Personkonzeption, die Splett in diesem Band am ausführlichsten entfaltet und in unmittelbare Kontinuität zur „Einführung in eine christlich-philosophische Anthropologie“ von Der Mensch in seiner Freiheit stellt (vgl. 22), sind damit vor allem zwei Elemente kennzeichnend:

(a) Indem er zum einen die „Wesensbindung dieses Begriffs an den Begriff eines persönlichen freien Schöpfergottes“ zeigt, macht er deutlich, dass Menschsein und Mit-Menschlichkeit, Ethos und Ethik letztlich nicht innerweltlich begründbar sind, dass „die letzte Begründung des Humanums“ vielmehr in der christlichen Botschaft zu finden ist[48]: „Respektierung der Person lässt sich nur im Blick auf ihren Schöpfer rechtfertigen“ (28).

(b) Indem er zum anderen die „einzigartige Unbedingtheit des Personalen“ bewusst in der „Differenz von Vernunft und Freiheit, Natur und Geschichte, Geist und Person“ (14) situiert, tritt er in Distanz zur klassischen Konzeption des Guten als desjenigen, „wonach alles strebt“ (bonum est quod omnia appetunt) sowie zum Konzept eines appetitus naturalis bzw. eines natürlichen Verlangens (desiderium naturale), wie es nach Aristoteles und Thomas von Aquin für den Entwurf einer eudaimonistischen Ethik kennzeichnend ist. Statt das Gute als für den Menschen „Erfüllendes“ zu begreifen (worin er eine genuin ethische Perspektive nicht ausreichend gewahrt sieht)[49], fasst Splett es – in Anknüpfung an Platon, aber v. a. an I. Kants Lehre vom „kategorischen Imperativ“ – als

„Forderungs-Wirklichkeit, Soll-Sein und Sein-Sollen zugleich. Und es ist ebenso zugleich objektiv-unbedingt und doch nicht einfachhin ‚theoretisch‘ anschaubar oder erfühlbar; sondern es wird nur in einer grundwillentlichen Eröffnung der Person erfahren, die man weniger als Streben, denn als Gehorsam und Hingabe sehen muss“ (55).

Im Gewissen des Menschen findet der Anruf des Guten sein Organ. Denn in ihm „meldet sich ein doppelter Selbst-Überstieg an“: (a) „in der Frage, woher man denn solle“ und (b) „im Horizont von Gut und Böse und bezüglich seiner Stellungnahme hierzu“ (48 f.). Das Gewissen ist daher für Splett zwar nicht unmittelbar „Stimme Gottes“ (vgl. 47 f.), aber doch primärer Ort der Gotteserfahrung, da Hinweis auf „eine absolute Personal- und Freiheitswirklichkeit“ (49).[50]

Die so entworfene Grundlegung seines Person-Konzepts (Kap. 1-3) wollen die folgenden Kapitel des Buches konkretisieren und bewähren. Neben den Dimensionen der Religion (Kap. 4), der Geschlechtlichkeit (Kap. 5) und der Lebensform Ehe (Kap. 6) sowie dem „An-blick des Schönen“ und der Freude (Kap. 8), in denen Freiheit ihre Erfüllung findet, erscheint dabei – in Konsequenz des oben Gesagten – auch der Gehorsam (und das damit verbundene Vertrauen) als eigenes Thema (Kap. 7), das der Gewissenserfahrung einen Rahmen gibt. Sein innerer Kern

„ist nicht eigentlich negativ das Unvermögen oder der Verzicht darauf, selber Einsicht zu nehmen, sondern der vertrauende Blick in des anderen Antlitz; nicht eigentlich der (letztlich notgedrungene) Verzicht auf ‚Selbstherstellung‘, sondern die Annahme meiner selbst – und der Welt überhaupt aus der Hand eines anderen“ (185).[51]

Die damit noch einmal hervorgehobene „menschliche Grundsituation als Antwort-Situation“ (6) buchstabiert die Schrift Zur Antwort berufen. Not und Chancen christlichen Zeugnisses heute (Frankfurt/M. 1984, später: Zur Antwort berufen. Zeugnis aus christlichem Stand, Köln 2005) aus. Als Zusammenfassung von Überlegungen, die „der Verfasser vor Priester- und Ordensleuten vorgetragen“ hat (9), enthält sie eine christliche Standeslehre,

„[n]icht bloß für Priester und Angehörige der Orden, sondern für Einzelne jeden Standes, so weit es ihnen um den Ernst und die Freude christlichen Lebens zu tun ist“ (9).

Auf der Basis der philosophischen Profilierung menschlichen „Selbstseins in Antwortgegenüber Modellen der Selbstherstellung, Selbstverwirklichung oder Selbstfindung (Kap. 1) thematisieren die folgenden Kapitel „praxisnäher“ das apostolische Zeugnis heute (Kap. 2) und den Rätestand (Kap. 3). Die erweiterte Aktualisierung enthält überdies Ausführungen zur Mission (Kap. 4) und zum Christsein in der säkularen Welt (Kap. 5). Zielperspektive der Überlegungen ist „das Glück aufgehobener Freiheit“, das Gottes Geist dem Menschen schenkt (Kap. 6). Eine Meditation über die sieben Gaben des Heiligen Geistes in Anknüpfung an die Collationes de septem donis Spiritus Sancti von Bonaventura rundet dementsprechend als „eine kleine, konzentrierte ‚Anthropo-Theologie‘“ (9) den Band ab (Kap. 7).

Das Buch Leben als Mitsein. Vom trinitarisch Menschlichen (Frankfurt/M. 1990) bietet noch einmal „in zugänglicherer Weise“ (10) als die Abschlusskapitel von Freiheits-Erfahrung die trinitätstheologische Verankerung des Personbegriffs und der Anthropo-Theologie Spletts mit dem Aufweis,

„dass das Gottesgeheimnis des Menschen auch schon in philosophischer Perspektive trinitarisch gedacht werden muss, will man seiner Person-Würde und Gottes Göttlichkeit entsprechen“ (10).

Am Beginn stehen hinführende Überlegungen zu zeitspezifischen Phänomenen wie einem skeptisch-distanzierten Agnostizismus (Kap. 1), einem eindimensionalen Ideal von Wissenschaft (Kap. 2) und den Angeboten natürlicher Ganzheitlichkeit, „(tiefen-)seelischer Integration und religiöser Verschmelzung“ (Kap. 3), in deren „Programmen reiner Einfachheit“ Splett „die alte Konzeption vom ‚appetitus naturalis‘, dem Naturstreben als Grundbestimmtheit von Menschsein, Leben und Liebe“ (11) identifiziert – und damit an die o. g. Eudaimonismuskritik anknüpft. Die Mitte der Ausführungen bildet ein Diptychon, das unter den Überschriften „Liebe religiös“ und „Der/die Dritte“ (Kap. 4: „Antwort: Mit-Sein“) zeigen will, dass

„Liebe nicht als Lebens-Durst und Überlebens-Sehnsucht, sondern als gelebte Freigebigkeit“ (11)[52]

verstanden sein soll. In Entfaltung des trinitätstheologischen Ansatzes von Richard von St. Viktor wird dabei insbesondere die Person des Heiligen Geistes, die in der klassischen Tradition häufig „vergessene“ dritte Person in Gott, in der ihr gebührenden Rolle innerhalb des göttlichen Lebens gewürdigt:

„Der Vater – ursprungslos – gibt ohne jeden Vorbehalt sich und das Seinige dem Sohn. Und dieser, restlos alles, auch das Gebendsein, empfangend, gibt so selbst von/mit dem Vater. Der Geist ist nun die Person des reinen Empfangs; er gibt dies sein Empfangen [...]. Er/Sie, die Person des Empfangens in Gott, ist auch die Empfangs-Kraft in uns. Es geht ihm nicht um sich, sondern um die Ankunft des Wortes des Vaters“ (69 ff.).

„Abklärungen und Differenzierungen“ zur „Dreieinigkeits-Offenbarung“ (Kap. 5) und zum „Grundgesetz Freigebigkeit“ (Kap. 6) vervollständigen die Ausführungen.

Der Band Gott-ergriffen. Grundkapitel einer Religionsanthropologie (Köln 2001) bildet gewissermaßen den Abschluss des von Lernziel Menschlichkeit geschlagenen Bogens, indem er die Beschreibung der Erfahrung des Menschseins und Menschwerdens auf den Begriff der Sazienz konzentriert. Splett übernimmt diesen – analog zum Begriff „Evidenz“ – aus dem lateinischen sacire-„ergreifen“ gebildeten Begriff von Reinhard Lauth[53] und erläutert ihn mit einem Hinweis auf die Grammatik:

„[D]ie klassische Metaphysik scheint nur Aktiv und Passiv als Aktionsarten zu kennen (bis hinein – nicht folgenlos – in die Geschlechtermetaphysik), während es in den klassischen Sprachen noch das Medium gibt. Es sei hier nicht als die dritte, sondern als erste und ursprüngliche Vollzugsform eingebracht. Im Deutschen lässt es sich nur durch eine Reflexiv-Konstruktion mit ‚Lassen‘ ausdrücken [...]. Und solches Sich-Erfassen-Lassen ist – so die Kern-These dieses Buchs ­– vor Aktiv und Passiv die Grundvollzugsweise von Sein und Leben in allen seinen Dimensionen: der ethischen, ästhetischen, erotischen, sexuellen wie religiösen: überall steht am Anfang ein Ergriffenwerden, das man nicht (autonom-aktiv) machen kann, dem man jedoch auch nicht passiv ausgeliefert ist; denn man kann sich verweigern“ (15).

Ergänzt wird diese Grundthese durch eine zweite, nach der „alle (ernstliche) Erfahrung [...] Glaubenserfahrung“ (15, Hervorhebung von mir) sei:

„Sinnverhalte, Freiheits-, Personwirklichkeit bekommt man einzig darin zu wissen, dass man sie glaubt“ (16).

Auf beide Thesen hin werden die bekannten Themen Splettscher Philosophie – „Menschsein als Antwort“ (Kap. 1), „Gotteserfahrung im Gewissen“ (Kap. 2), Atheismus (Kap. 3) und „Grundakt Gebet“ (Kap. 5) – konzentriert. Einen eigenen Raum nehmen Betrachtungen zu den drei göttlichen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe unter dem Titel „Lebensgeschenk des Vertrauens“ (Kap. 4) ein, um schließlich in einen „Ausblick“ auf das Geheimnis zu münden.

Im Ganzen illustrieren von Lernziel Menschlichkeit zu Gott-ergriffen die praktisch-ethischen Schriften somit noch einmal die o. g. Hauptverschiebung im Denken Spletts, die von der Betonung der Intentionalität und Aktivität des Subjekts zu einer stärkeren Akzentuierung seines Getroffenwerdens und Erfasstwerdens als Kern seiner Freiheit führt.

2.2. Einen besonderen Kristallisationspunkt im Denken Spletts bildet der Themenkreis Leiblichkeit-Geschlechtlichkeit-Ehe. Nicht nur in der Hinsicht, dass der Leib Ur-Symbol des Menschen ist, wird es zu einem besonderen Gegenstand, auch die trinitätstheologischen Überlegungen zur Gestalt menschlichen Mit-Seins, zur Einheit von Gottes- und Nächstenliebe und zum Verhältnis von ehelicher und zölibatärer Lebensform finden hier ihre Konkretion. Von eigener literarischer Gestalt ist dabei das kleine Buch Meditation der Gemeinsamkeit. Aspekte einer ehelichen Anthropologie (München 1970, 3. Aufl. Hamburg 1996), gemeinsam von den Eheleuten Ingrid und Jörg Splett verfasst. Als „Meditation“, die innerhalb des Projekts philosophischer Anthropo-Theologie gegenüber der „extravertierten“ Gestalt argumentativer Begründung in anderen Schriften einen „mehr ‚introvertierten Austausch‘“ (5), „denkendes Schauen“ (8) repräsentiert, will es „kein Ehebuch herkömmlicher Art“ sein, sondern eine grundsätzliche Besinnung auf Wesen und Weg ehelicher Gemeinschaft. Seinen Angelpunkt besitzt es in der Betrachtung eines „Drei-Gefüges“, in dem das Einssein der Liebenden (Kap. 1) und ihre bleibende Zweiheit (Kap. 2) bedacht und trinitarisch mit Gott als „Drittem im Bunde“ (Kap. 3) verknüpft werden:

„Personen sind eins nicht im Nebeneinander und nicht im Gegenüber, sondern im Miteins, sie sind eins, indem sie einig sind. Das aber sagt: einig in... [...]. Damit ist das Dritte genannt [...]. Eins sind beide ja nur, indem sie wirklich auf das Dritte zielen [...]. Doch ihr Grund-Ziel ist selbst Freiheitswirklichkeit, hat personalen Charakter; das Dritte, auf das sie ausgerichtet sind, ist im vollen Sinn der Dritte ihres Bundes“ (31).

Konkret im Hinblick auf Mann, Frau und Gott als die Bezugspunkte des „Dreispiels“ formuliert:

„Nur mit Gott kann ich den anderen so lieben, wie ich seinetwegen will, und nur mit Gott kann er mich so lieben, wie ich seinetwegen wünschen sollte. Dann aber sollen auch wir zusammen Gott ‚aus ganzem Herzen zu lieben versuchen – Seinetwegen –, um in solchem Dank so eins zu werden, wie er unsertwegen will“ (37).

Von dieser „Grundgestalt“ aus kommen im 2. Teil unterschiedliche „Lebensgestalten“ ehelicher Gemeinschaft exemplarisch in den Blick: der Unterschied der Geschlechter, das Tragen der Last des anderen, der liebende Dienst, der Gesellschaftsbezug der Ehe, das Verstehen in Wort und Schweigen, um schließlich im 3. Teil die Dimensionen von Schmerz, Schuld und Tod eingeordnet zu sehen in die „Hoffnung auf die Endgestalt“.

Der Sammelband Der Mensch: Mann und Frau. Perspektiven christlicher Philosophie (Frankfurt/M. 1980) bildet demgegenüber ein gutes Kompendium der Überlegungen Spletts zur Thematik. Hervorgegangen „aus konkreten Anforderungen der Erwachsenenbildung“ (25), bewährt in Vorträgen „vor studentischen Hörern“ (ebd.) und entstanden auf eine Anfrage der kirchlichen Arbeitsgruppe „Familie in Kirche, Gesellschaft und Staat“ hin, wollen die Darlegungen unter dem o. g. Anspruch, „prinzipielle Reflexion auf menschliche Grunderfahrungen“ (26) zu sein, „Denk- und Entscheidungshilfen“ (25) anbieten. Dazu stellt das Buch in vereinfachter Gestalt verschiedene Kapitel aus früheren Büchern nach vier Schwerpunkten zusammen: (a) Freiheit und Leiblichkeit (Kap. I)[54], (b) Geschlechtlichkeit (Kap. II)[55], (c) Ehe als Lebensform (Kap. III)[56] sowie (d) das Phänomen der Scham und seine Rehabilitierung als Tugend (Kap. IV)[57]. Ergänzt wird der Band um ein einleitendes „Werkstattgespräch mit dem Autor“ zum Themenkreis mit Vinzenz Platz (vgl. 9-23).

Konzentriert auf das Thema „Sexualität“ verdichtet mehr als fünfundzwanzig Jahre später die kleine Schrift Leibhaftig lieben. Leiblichkeit, Geschlechtlichkeit und Würde der Person (Köln 2006, 3. Aufl. 2008) anthropologische Grundklärungen, Katholikentagsvoten und konkrete Stellungnahmen zu einem Gesamtbild, das stärker im geistesgeschichtlichen Kontext situiert ist: zwischen einer dualistischen Abwertung der Geschlechtlichkeit einerseits und ihrer entmoralisierten Sicht im Zeichen von Natur und Leben andererseits (Kap. I-II). Zielperspektive der Darlegungen ist daher die humane Integration von Leiblichkeit und Geschlechtlichkeit unter dem Gesichtspunkt der Personwürde, d. h. die „Ermöglichung von ‚Menschlichkeit‘“ (13). Als „Grund-Datum“ gilt:

Geschlechtlichkeit soll nicht als selbständige Wirklichkeit, sondern als eine Daseins-Weise von Person und Freiheit aufgefasst werden, als unableitbare Gestalt des Da- und Miteinanderseins von Menschen“ (17, Hervorhebung von mir).

Die elementaren Bestimmungen lauten dementsprechend:

Leib ist die Weise, wie ich für die anderen als ihr Objekt da bin: gesehen, gehört, berührt und beurteilt werden kann. Zugleich aber ist er auch so mein Da-sein für, dass meinerseits ich auf die anderen einwirken kann. Leib ist, ein wenig poetisch, das ‚Antlitz des Ich. Ich bin also nicht einfachhin mein Leib (oder jedenfalls ist mein Leib nicht ich); doch ich habe ihn auch nicht bloß: er ist das Wie meines Seins mit anderen. Und Geschlechtlichkeit ist daran die ausgezeichnete Weise, wie das ‚Ich es mit einem doppelten ‚Nicht-Ich‘ zu tun bekommt“ (18, Hervorhebungen im Original; vgl. Kap. III-IV).

Unter dem „Programm-Wort ‚Liebe“ (23, Kap. V) werden von hier aus das Gerufensein als Du (Kap. VI), das „Konzentrat“ (38) von Leiblichkeit in der menschlichen Geschlechtlichkeit (Kap. VII), die damit gegebenen moralischen Dimensionen von Verantwortlichkeit (Kap. VIII) und Norm (Kap. IX), das Leben als Gabe (Kap. X) und der Selbst-Überstieg (Kap. XI) thematisiert – mündend in die Bestimmung von „Sexualität als Ruf zum Aufbruch aus sich heraus zum Nicht-Ich, dem Du, zur Ekstase in Für- und Mitsein“ (68, Kap. XII). Mit dem leitenden Gesichtspunkt der Selbstzwecklichkeit der Person (vgl. I. Kant) ist es vor allem der ethische Ernst des Themas, den der Band hervorhebt.[58]

Dem Menschen als „Wesen des Wortes“ (15) ist der Sammelband Liebe zum Wort. Gedanke vor Symbolen (Frankfurt/M. 1985) gewidmet: Denn in Wort und Sprache findet der Mensch als animal symbolicum[59] seinen universalsten Ausdruck. In Anlehnung an seine o .g. Bestimmung der Philosophie als „Liebe zum Göttlichen“ kennzeichnet Splett seine Ausführungen daher als „philo-logische Philosophie“: „das Wort, den Logos liebend“ (11). Im Ausgang von „Voraussetzungen“ und „Fundamente[n]“[60] (12), die im 1. Teil den Menschen als symbolisches Lebewesen vorstellen (Kap. 1), den Ursprung der Sprache in Fest und Kult sichtbar machen (Kap. 2) und das Verhältnis von Philosophie und Dichtung erörtern (Kap. 3), widmet sich der 2. Teil exemplarisch der Interpretation verschiedener Beispiele: Rilkes „Der Goldschmied“ mit seiner poetischen Kunsttheorie (Kap. 4)[61], Novalis’ romantischer Dichterexistenz (Kap. 5), dem Wasser als dichterischem und philosophischem Leitmotiv (Kap. 6) sowie generell dem Bücherwesen (Kap. 7). Die „Bilanz“ des 3. Teils schließlich thematisiert das Schöne (Kap. 8) sowie die reflektierende Erfahrung von Schmerz und Freude – unter besonderer Bezugnahme auf C. S. Lewis. – Indem das Buch die poetischen und ästhetischen Grundvollzüge des Menschen in den Mittelpunkt stellt, markiert es merklich einen Kontrapunkt zur moralischen Wahrnehmung seines Tätigseins, die ansonsten im Gesamtwerk dominiert.

In ähnlicher Weise erscheint schließlich im Buch Spiel-Ernst. Anstöße christlicher Philosophie (Frankfurt/M. 1993) das Spiel als origineller Rahmen der gedanklichen Exposition – nicht zuletzt angeregt durch die „Ästhetisierung des Lebens, einschließlich der Ethik und Religion“, wie sie die „Signatur des Zeitgeistes“ (9) der 1990er Jahre bestimmte. Splett reagiert darauf mit dem Hinweis auf die schöpferische Gestalt des Spielens: „Spielen besagt den einsamen oder gemeinsamen Aufbau einer Spiel-Gestalt“, einer „Welt für sich“, die „zweckfrei [...], überfunktional und selbstgesetzlich sinnvoll ist“ (12 f.):

„Ist aber Spiel ein Schöpfungsakt und der spielende Mensch ein Homo creator, dann zeigt sich das Spiel in besonderer Weise als Erscheinung = Selbstoffenbarung von Freiheit [...]. Mit dem Freiheitsbegriff nun sind wir in den Kernbereich des Spiel-Ernstes gelangt“ (12 f.).

„Ganz Mensch also ist der Mensch im Spiel, weil er sich darin als Freiheitswesen ‚realisiert‘ (= erfährt wie verwirklicht) und sich als solches bezeugt“ (13).

Unter dem Vorzeichen der symbolischen Welt des Spiels kommen die zentralen Regeln des Spiels des Lebens (Selbst-Annahme, Kap. 1; sittliche Verpflichtung, Kap. 2), seine existentiellen Bedingungen (Tod, Kap. 3; Schwäche und Schmerz, Kap. 4) sowie die Dimensionen von Fest, Lobpreis und Anbetung als sein Gipfel (Kap. 5) zur Sprache – um das Spielen zuletzt als Einübung ins Loslassen und Gelassensein zu erweisen:

Wie ist Freiheit zu denken, wenn ihr der Lebens-Ernst ein Spiel sein soll und das Lebens-Spiel ernst? Sie muss loslassen können, anderes und sich, will sie frei sein. Vielleicht aber ist sie zuletzt nur darum Freiheit, um (sich) zu lassen?“ (21)

2.3. Der Anspruch durch die Wahrheit, unter den menschliche Freiheit sich gestellt sieht, und damit den besonderen „Notenschlüssel“ der Splettschen Anthropo-Theologie thematisiert in der dritten Gruppe von Schriften der Band Denken vor Gott. Philosophie als Wahrheits-Liebe (Frankfurt/M. 1996):

„Das Organ der Wahrheitserkenntnis aber sei letztlich nicht irgendein Vermögen, sondern der Mensch selbst, in seinem vom Gewissen bestimmten Person-Kern“ (11).

Das Buch will diesem Anspruch mit dem jesuitischen Grundmotiv, „zur Ehre Gottes geschrieben“ zu sein, antworten. Als Plädoyer, „von und über Gott zu sprechen“ und insofern als „Plädoyer für ‚Philosophie als Gottesdienst‘“ (Hegel) thematisiert der 1. Teil Religion (Kap. 1), christliche Philosophie (Kap. 2) und Sittlichkeit (Kap. 3) als hermeneutische Signaturen solchen Denkens. Der 2. Teil lässt exemplarisch „Freunde der Wahrheit“ zu Wort kommen, die zugleich „Zeugen“ für den Lebens-Einsatz für sie und „Liebhaber des Verstehens (philósophoi)“ (13) sind: Sokrates (Kap. 4), Dante (Kap. 5), John Henry Newman (Kap. 6), Hans Urs von Balthasar (Kap. 7), Karl Rahner (Kap. 8). Er verortet damit nicht nur in verschiedenen Hinsichten die Grundmotive Spletts in der philosophischen und theologischen Tradition von der Antike bis zur Gegenwart, sondern zeigt ihn zugleich in seiner besonderen Fähigkeit, als Interpret philosophische und theologische Positionen präzise auf den Punkt zu bringen und luzide zu rekonstruieren.[62] Der 3. Teil schließlich stellt in Umkehrung der menschlichen Liebe zur Wahrheit diese selbst in ihrer „Zuvor-kommenheit“ vor:

„als Licht uns zugeteilt und zugewendet, so aber selbst uns auf- und einleuchtend, uns zugewandt“ (13).

Daher ist die spezifische (Selbst-)Zuwendung der Wahrheit, die Mitteilung ihrer selbst Thema von Überlegungen zur Menschlichkeit Gottes (Kap. 9, mit einem Exkurs über die christliche Botschaft in der modernen Kunst), zur Schöpfungswirklichkeit angesichts von Leid und Schuld (Kap. 10) und schließlich zum Begriff der Gnade (Kap. 11) – also zu spezifisch theologischen Themen, die eine philosophische Auslegung erfahren.

Dem Thema Wahrheit als Konvergenzpunkt von Philosophie und Theologie und damit als konstitutives Element für Spletts Verständnis christlicher Philosophie ist der kleine Band Hölzernes Eisen – Stachel im Fleisch? Christliches Philosophieren (Münster 2001) gewidmet. Als elementar für dieses Verständnis benennt er ihren methodisch-kritischen Charakter, sowie ihr prinzipielles Anliegen, das sie in den Rang der Wissenschaftlichkeit stellt[63] und in ihrem Anspruch auf Wahrheit und Sinn zeigt.[64] So definiert er – in Kontinuität zu der in Die Rede vom Heiligen getroffenen Bestimmung –

„Philosophie als methodisch-kritische prinzipielle Reflexion auf Grunderfahrungen“ (9).

In ihrer Abgrenzung gegenüber christlicher Weltanschauung wie Theologie, zu der er sie in einem Dienstverhältnis sieht, ermittelt Splett ihre Bestimmung als[65]:

„Ein Philosophieren, zu dessen Präsuppositionen das Christentum zählt, in dem das Christentum zwar keine Begründungen liefert, doch ein Entdeckungsfeld für Fragen und Probleme bildet“ (29).[66]

Das Leitmotiv Martin Heideggers weiterführend, das dem Band den Titel gibt, erinnert er zu ihrer Charakterisierung an das von Christus gebrachte „Schwert der Scheidung“ (Mt 10,34):

„Der Ort dieses Schwertes aber ist das Gewissen (in der Schrift, die das Wort nicht kennt, ‚Herz‘ und ‚Nieren‘ genannt – z. B. 1 Sam 16,7; Ps 26,2). Gewissen aber sollte auch das Herz eines Philosophierens sein, dem es über ‚Wissenschaft‘ wie ‚Kunst‘ hinaus um ‚Religion‘ geht – oder vielmehr um die Wahrheit jener Wirklichkeit, um die es nochmals in der Religion zu tun ist wie in deren Weisheit: das sophon – das heilige Geheimnis Gottes“ (40 f.)

Die besondere Bedeutung der Wahrheitsthematik im Rahmen des Projekts „Anthropo-Theologie“ stellt schließlich – als dessen explizite „Fortsetzung“ (7) – der zuletzt erschienene Sammelband Person und Glaube. Der Wahrheit gewürdigt (München 2009) heraus. Die Wahrheit bildet dabei das Bindeglied zwischen den beiden im Titel genannten Themen: „Person“ als Inbegriff der Rede von Gott wie vom Menschen und „Glaube“, der nach der o. g. These für „alle Erfahrung“ (7) maßgeblich ist.

„Personen, die einander begegnen, stellen einen doppelten Wahrheitsanspruch aneinander. Einmal beanspruchen sie Wahrheit für das eigene Reden und Tun. Schon ein Zweifel daran mag irritieren, erst recht die Behauptung, man befinde sich im Irrtum, vollends der Vorwurf, man täusche. Und darin zeigt sich der zweite Anspruch, der Anspruch an das Gegenüber, sich wahrheitsgemäß zu verhalten. Beide indes werden nicht schlicht im eigenen Namen erhoben. Indem jemand Wahrheit für das eigene Reden und Tun beansprucht und vom Gegenüber Wahrheitsgemäßheit verlangt, beruft er sich auf einen Wahrheitsanspruch, der nicht von ihnen beiden ausgeht, [...] sondern der umgekehrt sie trifft. Beide beanspruchen vielmehr, ‚der Wahrheit die Ehre zu geben‘, die sie beide beansprucht“ (ebd.).[67]

Der Akzent der Überlegungen, die zunächst von der Strukturformel der Person als „Du-ich-Du“ (Kap. I) über die Freiheit und das Böse (Kap. II) zum Gottesbeweis aus der Erfahrung der Ergriffenheit führen (Kap. III), liegt dabei auf dem Gesichtspunkt der Vermittlung von Mensch und Gott: in der Erörterung der Gottes-Bildlichkeit der Schöpfung (Kap. IV), des Erscheinens und Daseins Gottes in Person in Jesus Christus (Kap. V), einer von daher begründeten Anthropozentrik (Kap. VI) sowie schließlich der Berufung des Menschen „zum Mittler innerweltlicher Dimensionen wie zwischen Gott und Welt: zur Priesterlichkeit für die Welt und insbesondere für seinesgleichen“ (13 f., Kap. VII). – In neuer Deutlichkeit tritt damit gerade die Christologie als Konvergenz- und Angelpunkt des Projekts „Anthropo-Theologie“ hervor – findet die Rede von Gott und die Rede vom Menschen ihren zentralen Bezugspunkt in dem, der von sich selbst bezeugt: „Ich bin die Wahrheit“ (Joh 14,6).

5. Konkretionen: Beiträge zur angewandten Ethik und Rezensionen

Der ethische Grundimpuls des Denkens Jörg Spletts und das Eintreten für die menschliche Person und ihre Würde haben über allgemeine Erörterungen hinaus in besonderer Weise Antworten und Stellungnahmen im Feld der angewandten Ethik veranlasst – und zwar gerade in jenem Bereich, in dem die Würde des Menschen in der Gegenwart zunehmend weniger unangetastet erscheint: am Anfang und am Ende seines Lebens. Vor allem durch die Arbeit im Beirat der Zeitschrift für medizinische Ethik (vormals: Arzt und Christ) sind Positionsbestimmungen in Fragen von Abtreibung, Embryonenforschung, Suizid und Sterbehilfe, Hirntod oder Organspende entstanden.[68] Neben grundsätzlichen Erwägungen – etwa zu den Themen Menschenwürde[69], Sterblichkeit[70] oder auch zu einer „Kunst des Krankseins“ (ars aegrotandi)[71] – hat Splett immer wieder auch konkrete Fallbeispiele erörtert[72] und nicht nur den Mut zum kompromisslosen Argument, sondern auch die Fähigkeit differenzierender Begutachtung und prinzipienfesten Urteils gezeigt.

Als Konkretion des „Antwort“-Charakters von Spletts Denken ist darüber hinaus aber auch seine Tätigkeit als Rezensent, v. a. für die an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen erscheinende Zeitschrift Theologie und Philosophie, zu nennen, „ein Stück weit [...] Pflichterfüllung“, sodann „Starthilfe für junge Kollegen“, schließlich Engagement in einer wissenschaftlichen Debattenkultur, die in Deutschland weniger lebendig ist als etwa im Angelsächsischen:

„Überhaupt [...] verstehe ich Rezensionen als Antworten auf in die Welt gesandte Briefe. Ich möchte den Verfasser darin respektieren, dass ich ihn beim Wort nehme und mit ihm seine Thesen diskutiere. Ich freue mich, mitunter von Seiten Rezensierter zu hören, sie seien erstaunt, ihre Sache auf knappem Raum so auf den Punkt gebracht zu sehen.“[73]

6. Zeugnis: Betrachtungen

Eine besondere Art von „Antworten“ Jörg Spletts stellen schließlich seine betrachtenden Texte dar, gesammelt in dem frühen Bändchen Er ist das Ja (München 1964) und dem Buch Zeugnis der Freude (Würzburg 1967, 2. überarbeitete Auflage: Wagnis der Freude. Meditationen zu Worten der Schrift und Zeichen der Kunst, Frankfurt/M. 1975, 3. Aufl. 1984, mit einem Vorwort Karl Rahners). U. a. sind sie als Betrachtungstexte eingegangen das Schott-Messbuch.[74] Im Vorwort des zweitgenannten, seinen Eltern gewidmeten Bandes stellt Splett seine „Besinnungen“ ausdrücklich in den Zusammenhang mit der eingangs genannten Rede im Modus des Zeugnisses:

„Das unbegreifliche Geheimnis [...] lässt sich nicht mehr erklären, sondern nur erfahren und bezeugen“ (9).

Seinen Impuls findet dieses Zeugnis (a) in Worten der Heiligen Schrift, (b) in der Begegnung mit Werken der Kunst und (c) im lebendigen Menschenantlitz. Es ist „Antwort“ auf die Freude „in den kleinen Augenblicke irdischer Erfüllung wie in der unbegreifbar schwebenden Seligkeit im Schmerz“ (12).

„In solchem Licht, das am nüchternen und unerbittlichen Geschehen unseres Alltags eigentlich gar nichts verändert und ihn doch völlig verwandelt, blitzt der Sieg auf, der die Welt überwindet (1 Joh 5,4): als das lauterste Zeugnis für den Sieger über Tod und Sünde, den auferstandenen Herrn“ (12).

Als Zeugnis der Freude und der Hoffnung fassen die Betrachtungen Spletts jene Grundhaltungen zusammen, in die seine philosophische Lehre vom Menschsein mündet. In ihrer persönlichen Färbung spiegeln sie zugleich etwas vom persönlichen Getroffenwerden des Menschen Jörg Splett wider, um „durch die Worte verstummend auf ihr Leuchten zu weisen“ (14). In dieser  Weise zeigen gerade seine Betrachtungen Jörg Splett – in seiner Rede vom Menschen wie von Gott im Dienst der Wahrheit – als „treuen Zeugen“, als „Zeugen der Hoffnung“ und „Zeugen vom Licht“.

 



[1]     Vgl. J. Splett/H.-G. Nissing, „‚Es ist bei Ihm aufgehoben‘. Der Philosoph Jörg Splett – Ein dialogisches Porträt“, in: H.-G. Nissing (Hg.), Der Mensch als Weg zu Gott. Das Projekt „Anthropo-Theologie“ von Jörg Splett, München 2007, 109-135, hier: 122; 124 f. – Im Anliegen, „Auskunft und Antwort auf grundsätzliche Zeitfragen“ (ebd., 124) zu geben, sieht sich Splett dabei in größerer Nähe zu seinem Lehrer Karl Rahner als zu Hans Urs von Balthasar, dem er sich andererseits durch eine größere inhaltliche Nähe verbunden fühlt.

[2]     Ebd., 129. – Zur Charakterisierung des Stils Spletts vgl. H. Zaborowski, „Der Erfahrung Gottes nachdenken. Aufgabe und Anspruch von Jörg Spletts Anthropo-Theologie“, in diesem Band, S. 46-66, bes. 50-54.

[3]     Vgl. J. Splett, „Hinschauen werden sie auf Ihn, den sie durchbohrt haben“, in: An hl. Quellen 34 (1958), 121-122.

[4]     Vgl. http://www.sankt-georgen.de/lehrende/splett-bibl-V-bis-VI.html. – Gedruckte Bibliographien finden sich in J. Schmidt/M. u. T. Splett/P.-O. Ullrich (Hg.), Mitdenken über Gott und den Menschen. Dialogische Festschrift für Jörg Splett (= Schriftenreihe der Josef-Pieper-Stiftung, 2), Münster 2001, 262-300 („Verzeichnis der Veröffentlichungen von Jörg Splett [1958-2000]“) sowie T. Schumacher (Hg.), Ant-Wort. Jörg Splett zum 70. Geburtstag (= Wortmeldungen, 6), München 2006, 191-206 („Veröffentlichungen von Jörg Splett seit dem Jahre 2001 [bis 2006]“).

[5]     J. Splett/H.-G. Nissing, „‚Es ist bei Ihm aufgehoben. Der Philosoph Jörg Splett – Ein dialogisches Porträt“ (Anm. 1), 121; 116.

[6]     J. Splett, „Anthropo-theologie. Zum Verhältnis zweier philosophischer Grunddisziplinen“, in: Theologie und Philosophie 48 (1973), 351-370. – Eingegangen als 6. Kapitel in: ders., Konturen der Freiheit. Zum christlichen Sprechen von Gott, Frankfurt/M. 1974, 154-179. Wiederabdruck in: T. Schumacher (Hg.), Denken im Glauben, München 2003, 23-47. – Entsprechend heißt es in der Abschiedsvorlesung (vgl. Anm. 8): „Man denkt und spricht von Gott nicht recht, wenn man vom Menschen schweigt, an dem Ihm liegt; und andererseits vom Menschen nicht recht, wenn man ihn nicht vor Gott sieht“ (321). – Zur Herkunft dieses Motivs bei R. Guardini in dessen Rede zu Beginn des Berliner Katholikentages 1952 vgl. ders., Religiöse Erfahrung und Glaube, 2. Aufl. Mainz 1979.

[7]     Vgl. hierzu auch – trotz aller Lebendigkeit und denkerischen Beweglichkeit des Schreibstils – die systematische Anlage der eigenen Argumentation in Definition und (syllogistischer) Formalisierung, vor allem jedoch in der Exposition des eigenen Denkens als „christliche Philosophie“, die begründend argumentiert und kritisch reflektiert. – Vgl. dazu unten 41 f.

[8]     Vgl. J. Splett, „Im Dienst an der Wahrheit“, zuerst in: Theologie und Philosophie 80 (2005), 321-333, hier: 321 (selbständig: Köln 2005, 2. Aufl. 2009). – In diesen Kontext gehört auch die Selbstauskunft: „‚Zeugnis vom Licht‘. Philosophie als Wahrheits-Dienst“, in: H.-G. Nissing (Hg.), Der Mensch als Weg zu Gott (Anm. 1), 11-32.

[9]     Ebd., 333: „Nur wer sich entrissen wird, ist wirklich hingerissen.“

[10]   Präzisierungen bringen ferner die Antworten auf die Beiträge der Festschriften: vgl. J. Splett, „Menschsein vor Gott“, in: J. Schmidt/M. u. T. Splett/P.-O. Ullrich (Hg.), Mitdenken über Gott und den Menschen. Dialogische Festschrift Für Jörg Splett, Münster 2001, 207-225; ders., „Theo-Anthropologie. Ein Antwortversuch“, in: H.-L. Ollig (Hg.), Theo-Anthropologie. Jörg Splett zu Ehren, Würzburg 2006, 105-113.

[11]   Zur Wertsschätzung dieses seit Sokrates für echte Philosophie charakteristischen Ideals vgl. J. Splett/H.-G. Nissing, „‚Es ist bei Ihm aufgehoben“ (Anm. 1), 128: „Persönlich halte ich dieses Engagement auch für wichtiger als inner-wissenschaftliche Arbeit. Ich schreibe eigentlich nicht für die Kollegen. Auch Kontroversen mit ihnen führe ich im Blick auf die Menschen, für die wir diese Arbeit tun.“

[12]   Besondere Bedeutung kommt dabei meist den ersten Kapiteln zu, die in ihrer mehrfach selbstkritisch vermerkten Abstraktheit „Grundlegungen“ liefern, „Prinzipien“ benennen oder allgemeine Zugänge schaffen wollen. – Nicht zuletzt dieses systematische Anliegen rechtfertigt den folgenden Versuch einer Systematisierung des Schrifttums Spletts.

[13]   Ebd., 129: „Ich würde gern eine Entwicklung sehen fort von einer unnötigen sprachlichen Kompliziertheit mit Klammern usw. (einer ‚Rahnerei‘), wie etwa in Konturen der Freiheit (1974), hin zu einer größeren Klarheit und Entschiedenheit, die auch deutlicher auf die zentralen Fragen gerichtet ist.“

[14]   In solchem Sinne enthalten die Einleitungen verschiedener Sammelbände ebenfalls Charakterisierungen und summarische Kennzeichnungen der eigenen Werke, die erste Verbindungslinien aufzuzeigen. Sie seien im Folgenden aufgenommen und in einen umfassenden Zusammenhang gestellt.

[15]   Ebd., 124.

[16]   Ebd., 120.

[17]   Vgl. etwa Freiheits-Erfahrung (1986) oder Denken vor Gott (1996). – Summarisch das Urteil im Schlussabschnitt der Dissertation: „‚Solch eine Philosophie besitzt die wunderbare Fähigkeit, auch da zu erschließen, wo sie selbst nicht richtig sieht‘“ (Iljin).

[18]   Vgl. zusammenfassend ebd., 125: „Statt in (der Suche nach) Sinn und Heil, also zuletzt in uns, wie heute zumeist in Religionsphilosophie wie -theologie vertreten, sehe ich die Sinnspitze von Religion in der Anbetung des Heiligen, im Lobpreis seiner, im ‚Dank ob Seiner Herrlichkeit“.

[19]   Die Grunderfahrung enthält dabei von vorneherein eine praktisch-voluntative Dimension: „Grunderfahrung als solche von Freiheit ist immer schon – in Differenz-Identität – Grundentscheidung. Und beides gibt es in concreto nur konkret“ (19).

[20]   Vgl. dazu weiter unten S. 41 f.

[21]   Zum Beweischarakter vgl. ebd., 51: „Beweis aber ist nicht bloß eine logisch erzwingbare Schlussfolgerung. Das lateinische Grundwort ‚demonstrare‘ jedenfalls bedeutet: hinweisen, zeigen sichtbar machen. [...] ‚Beweis‘ meint hier jedenfalls den methodisch-kritisch argumentierenden Versuch, den anderen sehen zu lassen, was sich dem eigenen Hinblick gezeigt hat.“

[22]   „Transzendental heißt dieser Beweis, insofern er die Möglichkeitsbedingungen des menschlichen Grundvollzugs erfragt“ (51). – Der Transzendentalthomismus ist eine Schule der Thomas-Interpretation, die im 20. Jahrhundert in Anlehnung an die Erkenntnistheorie Kants und die Existenzphilosophie Heideggers das Projekt verfolgte, die menschliche Dynamik zum transzendentalen Absoluten im Rahmen der Erkenntnistheorie zu explizieren.

[23]   Vgl. J. Splett, „Es gibt die Wahrheit! Profilierungen eines philosophisch-theologischen Grundbegriffs“, in: H.-G. Nissing (Hg.), Was ist Wahrheit. Zur Kontroverse um die Diktatur des Relativismus, München 2011, 35-55, hier: 48. – Zum wichtigen Unterschied von Sollen und Müssen vgl. Gotteserfahrung im Denken, 72: „[W]as sagt es über uns, dass Gut-sein und ‚Der-Wahrheit-die-Ehre-geben‘ uns als etwas begegnet, das wir sollen? – Sollen müssen, weil wir diese Selbstverständlichkeit nicht von selbst tun. Gleichwohl ist der Anruf nicht bloßes Soll (von einem Muss = Nicht-anders-können zu schweigen). Dass uns, obwohl nicht gut, zugemutet wird, es zu werden, ist etwas, was wir dürfen.“

[24]   J. Splett/H.-G. Nissing, „‚Es ist bei Ihm aufgehoben“ (Anm. 1), 131: „Ganz neu war das nicht [...]. Doch eine Umakzentuierung war es doch. Ich war so hingerissen, als ich diesen Autor – Levinas – kennen lernte. Ich meinte, so etwas würde ich schon denken. Doch Levinas dachte es in einer Deutlichkeit und Schärfe, die ich unglaublich fand.“

[25]   Die „Grundgestalt des klassischen Kontingenzbeweises [...] wird hier verstanden als kritisch-rationale Reflexion auf eine Welterfahrung, die sich als religiös versteht und behauptet“ (J. Splett, Gotteserfahrung im Denken, 80).

[26]   Vgl. ebd., 117: Schöpfung heißt „Sein von Gott her, in ihm und auf ihn hin“. – Die entscheidenden Begriffe ihrer Erschließung sind „Bild (Erscheinung)“, „Sinn-Ziel“ sowie die von Nikolaus von Kues stammende Bezeichnung „Deus datus“.

[27]   Vgl. ebd.: „So tritt dem Grundwort ‚Partizipation‘, das vor allem die Immanenz Gottes akzentuiert, der Begriff ‚Analogie‘ zur Seite, um in der Immanenz die sie ermöglichende Transzendenz bewusst zu halten.“

[28]   Vgl. ebd., 131: „Gottes Geben, insofern es Freiheit mit Freiheit begabt, gibt sich nicht bloß als Gegebenwerden, sondern zugleich und eigentlich als (An-)Genommenwerden. Die Gabe als Wirklichkeit und ‚Gestalt des (Sich-)Gebens ist dies als Gestalt der Annahme dieses Gebens.“

[29]   Drei Exkurse zu den Kapiteln 5 („Von Gott reden nach Kant“), 6 („Gott im Reden von Ihm“) und 7 („‚Deus datus‘“) profilieren die Rede von Gott.

[30]   J. Splett, Die Rede vom Heiligen, 9, Anm. 1.

[31]   Ders., Leben als Mit-Sein. Vom trinitarisch Menschlichen, 17.

[32]   Ebd., 10.

[33]   Vgl. den Umschlagtext des Buches sowie ebd., 13-26.

[34]   Vgl. J. Splett/H.-G. Nissing, „‚Es ist bei Ihm aufgehoben‘“ (Anm. 1), 124.

[35]   Vgl. J. Splett, Die Rede vom Heiligen, 9, Anm. 1.

[36]   Vgl. wortgleich J. Splett, Sakrament der Wirklichkeit, 39 f.

[37]   Vgl. dementsprechend die Überschriften: „1. Gerufene Freiheit: Anspruch der Wahrheit“, „2. Leibhaftige Freiheit: Be-denklichkeit des Symbols“, „3. Gemeinsame Freiheit: Dialektik der Autorität“, „4. Unfreie Freiheit: Schuld“, „5. Sterbliche Freiheit: End-gültigkeit“.

[38]   Der Anknüpfungspunkt in den Überlegungen Richards findet sich unten zitiert in: J. Splett, „Gedenken. Erbe und Anstöße“, 143, ebenso die „Strukturformel“, auf die Splett den Gedanken wiederholt gebracht hat; vgl. ders., Freiheits-Erfahrung, 315; Meditation der Gemeinsamkeit, 34.

[39]   Vgl. ebd. in Zitation K. Landgerbers: „‚Sachlichkeit wird Frömmigkeit.‘ ‚Alles Profane ist heilig.‘ [...] ‚Das Sakrale als heiliger Bereich ist überflüssig geworden.‘“

[40]   Vgl. ebd., 16 f.: „Symbol [...] [ist] nicht als Bezug von Sinn (Bedeutung) und Sache zu bestimmen, sondern als Bezug von Sinn zu Sinn. Es selbst ist nicht zuerst Ding oder Sache, sondern Vollzug [...]. Wir haben demnach zwei Sinn- (und Bedeutungs-)Dimensionen des Symbols gewonnen – und eine doppelte Zweideutigkeit: jene von sinnlichem Zeichen und geistig-kategorialer Bedeutung und jene von geistig-kategorialem Sinn und transzendentaler Bedeutung.“ – Vgl. ders., Die Rede vom Heiligen, 307-316.

[41]   „Der ursprüngliche Sinn des Wortes ist nicht – wie wohl die meisten denken – Rätsel oder Problem. Die Vorsilbe ‚Ge’ steht für Sammlung – so bedeutet ‚Gebirge‘ eine Ansammlung von Bergen, ‚Getier‘ eine solche von Tieren. Die Nachsilbe ‚nis‘ zeigt einen Zustand oder Sachverhalt an, ein Sein – beispielsweise: ‚Wildnis‘, ‚Finsternis‘. Die Grundbedeutung von ‚Geheimnis‘ ist demnach: Gesammelt-Daheim-sein.“

[42]   Es ist online abrufbar im virtuellen Leseraum der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen SJ: http://www.sankt-georgen.de/leseraum/splett3.html.

[43]   J. Splett, Konturen der Freiheit, 37.

[44]   Ders., Liebe zum Wort. Gedanken vor Symbolen, 18.

[45]   Ders., Spiel-Ernst. Anstöße christlicher Philosophie, 15.

[46]   Vgl. ebd., 17: „Es geht in diesem Gesprächsbeitrag [...] darum, an der früher konturierten Lebens-Gestalt menschlicher Freiheit sozusagen konvergierende ‚Schwerlinien‘ sichtbar zu machen – als Vorklärung zu weiteren Erörterungen über Halt und Gleichgewicht derart gewagter Existenz.“

[47]   Vgl. ebd., 11: „Anders gesagt, geht es um einen philosophischen Beitrag zur gegenwärtigen Erörterung der Frage einer spezifisch christlichen Moral und Ethik.“

[48]  „Menschliches, mitmenschliches Leben lässt sich allein aus dem biblischen Glauben rechtfertigen“ (25, Hervorhebung im Original).

[49]   Vgl. ebd., 53: „[D]ie Fehlformen des Rationalismus wie des Hedonismus, einer Handlungslehre aus dem Lust-Prinzip, knüpfen hier an.“

[50]   Im biblischen Sprachgebrauch bezeichnet die durch das Wort „Gewissen“ benannte Personmitte der Ausdruck „Herz“: Es ist „jene Mitte des Menschen [...], in der es ihm zuletzt nicht um sich selbst geht“ (ebd., 86, mit Hinweis auf Blaise Pascal).

[51]   In Anspielung auf die von Splett immer wieder gern zitierte Schrift R. Guardinis, Die Annahme seiner selbst, Würzburg 1952.

[52]   Vgl. ebd., 55: „In lexikalischer Knappheit und Dichte, unabgelenkt durch Querbezüge und Dispute, soll die Grundthese dargelegt werden.“

[53]   Vgl. R. Lauth, Ethik in ihrer Grundlage aus Prinzipien entfaltet, Stuttgart – Berlin 1969, 31: „Die spezifische Evidenz der Wertsetzung und -habe kann man mit einem besonderen Namen bezeichnen; und eine solche Benennung empfiehlt sich, um sie von theoretischer Evidenz abzuheben. Ich habe dafür [...] den Terminus Sazienz (von sacire, ergreifen) eingeführt. Werte ergreifen; unser Geist wird von ihnen ergriffen.“

[54]   Vgl. J. Splett, Konturen der Freiheit, 37-59.

[55]   Vgl. ders., Der Mensch ist Person, 110-137.

[56]   Vgl. ebd., 138-156.

[57]   Vgl. ders., Lernziel Menschlichkeit, 61-80.

[58]   Dies verbindet die Ausführungen mit dem Ansatz „Theologie des Leibes“ von Papst Johannes Paul II., der wiederholt zitiert wird: vgl. v. a. K. Wojtyła, Liebe und Verantwortung. Eine ethische Studie, München 1979.

[59]   Vgl. E. Cassirer, Was ist der Mensch?, Stuttgart 1960, 40.

[60]   Vgl. J. Splett, Liebe zum Wort, 12: „Der Aufbau des Buchs gemahnt so an den klassischen Syllogismus: auf den grundlegenden Obersatz (die ‚maior‘) folgt der konkrete Einzelbezug (in der ‚minor‘), und aus beidem ergibt sich die Folgerung (‚conclusio‘).“

[61]   Vgl. J. Splett/H.-G. Nissing, „‚Es ist bei Ihm aufgehoben‘“ (Anm. 1), 115: „Was die Literatur betrifft, so ist Rilke der Dichter meiner Jugend gewesen.“

[62]   Vgl. hierzu auch die Herausgeberschaften von: „Entweder/Oder“. Herausgefordert durch Kierkegaard, Frankfurt/M. 1988 (zs. mit H. Frohnhofen); Höllenkreise – Himmelsrose. Dimensionen der Welt bei Dante, Idstein 1994.

[63]   Vgl. ebd., 9: „Wissenschaft ist ja nicht das Bemühen, eine Methode auf alle Bereiche der Forschung zu übertragen, sondern der kritische (das heißt: unterscheidende) Wille, jeden Gegen-stand in der ihm angemessenen Weise zu betrachten und zu befragen.“

[64]   Vgl. ebd., 10: „Und prinzipiell heißt [...]: Sie begnügt sich nicht mit Wahrnehmung, Beschreibung, Klassifikation, sondern fragt nach Wahrheit und Sinn des Erfahrenen wie des Erfahrens seiner.“

[65]   Zum umstrittenen Begriff der christlichen Philosophie und seiner Geschichte vgl. ebd., 26 ff.

[66]   Vgl. ebd., 28: „Ich würde ‚Weltanschauung eher als eine Art ursprüngliche Auslegung (Interpretation) von Welt verstehen wollen, [...] gekennzeichnet durch eine gewisse Ursprünglichkeit, die sie vom wissenschaftlich ausgeformten Weltbild wie von der prüfend-fragenden Reflexion der Philosophie ebenso unterschiede wie von einer explizit theologischen Beschäftigung mit Gegenwartfragen.“ – „Für die Theologie als Glaubenswissenschaft liefert die Offenbarungsbotschaft die Prämissen ihrer Arbeit und den Boden ihres Begründens“ (ebd.).

[67]   Im Gegenüber zur „monologischen“ Exposition des Gedankens im Ausgang vom Urteil bzw. von der Behauptung (vgl. oben, S. 27) macht dieser Text noch einmal sehr schön die im Laufe der Zeit stärker gewordene Akzentuierung des „Dialogischen“ sichtbar.

[68]   Vgl. exemplarisch ders., „Wann beginnt der Mensch – und welche Pflichten haben wir ihm gegenüber?“, in: Familienbund deutscher Katholiken (Hg.), Kinder aus der Retorte? Fortpflanzungsmedizin beim Menschen, Bonn 1989, 35-55; „Abschied von Ungeborenen. Erinnerung an einen Vorschlag“, in: Zeitschrift für medizinische Ethik 57 (2011), 225-229; „Tötungsverbot und Sterbehilfe. Stellungnahme aus Sicht christlicher Philosophie“, in: S. E. Müller/R. Beckmann (Hg.), Menschenwürdig sterben – aber wie?, Münster 2010, 89-114; „Hirntod?“, in: Bischöfliches Generalvikariat (Hg.), Hirntod und Organtransplantation – ein spannungsfreies Verhältnis?, Osnabrück 2010, 23-30.

[69]   Vgl. z. B. ders., „Der Mensch als Person. Würde und Verantwortlichkeit als Grundbestimmungen abendländischen Selbstverständnisses“, in: Zeitschrift für medizinische Ethik 45 (1999), 326-328.

[70]   Vgl. ders., „Kein Mensch kann Leben bilanzieren“, in: Neue Caritas 110 (2009), 11.17-19.

[71]   Vgl. ders., „Ars aegrotandi“, in: Zeitschrift für medizinische Ethik 53 (2007), 145-151.

[72]   Vgl. ders., „Ethische Stellungnahme (zum Fallbericht: Empfängnis eines Kindes zum Zweck der Knochenmarkspende)“, in: Arzt und Christ 36 (1990), 190-192; „Philosophischer Kommentar zum Fallbericht (Zwangsbehandlung bei Uneinsichtigkeit?)“, in: Zeitschrift für medizinische Ethik 40 (1994), 329-330; „Philosophische Gedanken zum Fallbericht (von einer Schwangerschafts-Begleitung unter Hirnversagen)“, in: ebd., 43 (1997), 69-75.

[73]   J. Splett/H.-G. Nissing, „‚Es ist bei Ihm aufgehoben‘“ (Anm. 1), 129.

[74]   Vgl. ders., „Verbirg dein Angesicht nicht vor mir“, „Bejahte Endlichkeit ...“, in: Schott-Messbuch für die Wochentage. Teil I; Advent bis 13. Woche im Jahreskreis, Freiburg/Br. – Basel – Wien 1984, 638 f., 655.